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Vorbemerkung
Der polnische Kardinal Josef Glemp wollte es genau wissen: "Europa – was ist das eigentlich?" (...) Warum gehört (...) Sibirien [1] nicht zu Europa, obwohl es doch weitgehend von Europäern bewohnt wird, die auch auf durchaus europäische Weise denken und leben? Und wo verliert sich Europa im Süden der russischen Staatengemeinschaft? Wo läuft im Atlantik seine Grenze. Welche Inseln sind Europa, welche nicht und warum nicht?". Das Ergebnis der Gespräche mit seinen Bischofskollegen über diese Fragen war, dass Europa "ein kultureller und historischer Begriff" und "nur sekundär ein geografischer Begriff" ist (zit. n. Ratzinger 2000: 61). Zu einem ähnlichen Schluss kommt Klaus Hänsch, Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Für ihn ist klar: "Eine europäische Union nur als geographisches Konzept hat keine Zukunft" (2000: 9). Damit wäre die Geographie bzw. das geographische Europa bei der aktuellen Diskussion um den Beitritt der Türkei [2] zur EU aus dem Spiel. Die Europäische Union ist kein geographisches, sondern ein normatives Projekt.
Manche Politiker sehen dies allerdings anders. Nicht nur über die Kopenhagener Kriterien [3] , "auch über Geografie (...) und über Grenzen" müsse geredet werden, forderte die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan. Die Vorstellung, "dass Europa an Staaten wie Irak, Iran und Syrien angrenzen soll", sei "abwegig" (Schavan 2004: 4). Ebenso sieht Wolfgang Schäuble, der Vizevorsitzende der CDU, in Europa einen "geografisch abgegrenzten Raum": "Man kann doch nicht im Ernst behaupten, dass Europa bis an die Grenze des Irak reicht" (Schäuble 2004: 4). Und Valery Giscard d’Estaing, der Präsident des EU-Reformkonvents, bestand darauf, dass die Türkei zwar ein bedeutendes Land "proche de l’Europe" sei, aber "ce n’est pas un pays européen. Sa capitale n’est pas en Europe, elle a 95% de sa population hors d’Europe." Werde mit ihr um einen Beitritt verhandelt, so werde auch Marokko [4] um Aufnahme bitten, doch: "Pourquoi sortir du continent à l’est et ne pas sortir à l’ouest?" So wird das geographische Europa normativ; denn mit der Ausdehnung der EU über dessen Grenzen hinweg sieht Giscard "la fin de l‘Union européenne" eingeläutet (2002: 2). Sein Landsmann, der Mittelalterspezialist Jaques Le Goff, kann sich dagegen "gut vorstellen, dass eines Tages Europa bis nach Nordafrika reicht." Man dürfe "Europa nicht geografisch eng definieren" (2000: 64); auch gegen die Türkei sträubt er sich nicht prinzipiell, doch Russland [5] soll draußen bleiben. So wird mit dem geographischen Europa bezüglich der Legitimationsprobleme für das politische höchst widersprüchlich argumentiert. Wie sahen/sehen die Geographen selbst das Europa-Problem?