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Strategien

Im Folgenden sollen die Strategien dargestellt werden, die die französische Presse entwickelt hat, um die Krise zu überwinden. Es handelt sich vor allem um Strategien zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Situation.

Zunächst sollen die verschiedenen Modernisierungsversuche dargestellt werden. Die Einführung der Technik des Vierfarbendrucks (20) ist eine rentable Innovation gewesen: Diese Idee hat den Investoren gefallen und den Zeitungen Werbeetats eingebracht. Nun können die Verleger die Werbeinserate erscheinen lassen, die sie wollen, und sind nicht länger im Hinblick auf die früher - kostspieligen - Farben in ihrer Werbung eingeschränkt. Darüber hinaus hat das Fernsehzeitalter eine starke Tendenz zur Visualisierung in den französischen Zeitungen bewirkt (21).

Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass neue Layoutgewohnheiten und ein verkleinertes Format bei vielen Zeitungen Einzug hielten. Diese Verringerung des Formats bewirkt nicht nur eine Kostenreduktion durch den geringeren Papierverbrauch, sondern stellt auch die Leser zufrieden, denen ein kleineres, handliches und damit leichter lesbares Format entgegen kommt.

Dank seiner illustrierten Wochenendbeilagen ist LE FIGARO eine der Tageszeitungen, die am wenigsten unter der Krise leiden. Obwohl die Samstagsausgabe 4 EUR kostet (vor 2002: 25 FF), zieht diese Strategie reichlich Leser an: MADAME FIGARO, FIGARO MAGAZINE und TV MAGAZINE gefallen den Kunden. Außerdem ist es LE FIGARO gelungen, Mittel zu finden, an Werbeetats zu kommen, obwohl die Anzeigenkunden eine gewisse Investitionsmüdigkeit an den Tag legen. Beispielhaft dafür ist die unterschwellige Werbung, die häufig in diesen Magazinen, aber auch auf verschiedenen Seiten der Tageszeitung LE FIGARO anzutreffen ist (redaktionelle Werbung, Werbeinfo, Gefälligkeitsartikel).

Abbildung 5:

Die verkaufte Gesamtauflage der französischen Tageszeitungen

 

 

 

 

 

Im Falle von LE MONDE erscheinen über die Woche verteilt fünf Beilagen, welche die Zeitung ergänzen: LE MONDE ECONOMIQUE, LE MONDE INTERACTIF (bis Ende Oktober 2001), ADEN (nur für die Auslieferung im Großraum Paris), LE MONDE DES LIVRES und LE MONDE TÉLÉVISION. Hauptsächlich diese Beilagen ziehen spezialisierte und moderne Werbeetats an. Wir stimmen in dieser Hinsicht mit E. Bevort überein, der geschrieben hat, dass "die Multiplikation der Beilagen (…) zum Ziel [hat], den Tageszeitungen den Touch eines Magazins zu geben und dabei wichtige Themen zu behandeln: Bücher, Freizeit, Wissenschaft, Beruf und Karriere, Wirtschaft " (22). Im Übrigen hat LE MONDE eine andere Strategie der Diversifizierung eingeschlagen als LE FIGARO: keine illustrierten Wochenmagazine, aber jede Art von monatlich oder sogar zwei- und dreimonatlich erscheinenden Magazinen. Dabei handelt es sich beispielsweise um LE MONDE DIPLOMATIQUE, LE MONDE DE L'EDUCATION, LE MONDE DOSSIERS ET DOCUMENTS, Titel, die alle der Leserschaft gut bekannt sind. Vor kurzem ist diese Reihe durch weitere Publikationen erweitert worden wie das neue monatliche Fotojournalismus-Magazin LE MONDE 2, das Ende 2000 auf den Markt kam, sowie die Monatsillustrierte LE MONDE INITIATIVES, die im Oktober 2001 gestartet wurde und sich mit Wirtschaft und Gesellschaft befasst.

In diesem Zusammenhang müssen auch die Expansions- und Diversifizierungsstrategien erwähnt werden, die das Unternehmen Le Monde S.A. und Socpresse, das Mutterhaus des FIGARO fahren. Diese Strategien zielen auf eine stärkere Position der Konzerne in einer Presselandschaft ab, die mehr denn je durch Konzentration geprägt ist. Und der Rückgang der Verkaufszahlen der nationalen Tageszeitungen drängt diese Konzerne gleichzeitig dazu, stärker in Richtung Magazine zu blicken, die dynamischere Sektoren als die Tageszeitungen sind, sowie in Richtung der regionalen Presse, um sich besser zu schützen gegen unausweichliche Veränderungen der Konjunktur und den damit einhergehenden Verringerungen der Werbeeinnahmen.

Aus diesen Gründen hat der Le Monde-Konzern die Kontrolle des Konzerns Midi libre mit Standort in Montpellier übernommen, die Wochenzeitschrift COURRIER INTERNATIONAL und der Monatszeitschrift CAHIERS DU CINEMA. Er ist als Anteilseigner in die Schweizer Tageszeitung LE TEMPS eingestiegen (wenn auch nur mit 6%) und in das wohlbekannte Nachrichtenmagazin LE NOUVEL OBSERVATEUR. Außerdem hat er einen Vertrag mit der Pressegruppe Publications de la Vie Catholique geschlossen, die insbesondere Eigentümerin des Magazins TELERAMA ist (beliebteste TV-Wochenzeitung bei leitenden Angestellten) mit dem Ziel, sich mit 30% am Kapital zu beteiligen.

"Angesichts des Schwerpunkts Le Monde-Le Nouvel Observateur-Télérama-Courrier international, der sich gerade herausbildet, konnte der Herausgeber des FIGARO nicht tatenlos zusehen", schrieb François Kermoal, Direktor des Magazins STRATÉGIES (6.9.2002, 13).

Die Gruppe Socpresse unter der Leitung von Yves de Chaisemartin, Nachfolger von Robert Hersant, hat Ende August 2002 den Bereich leserstarke Presse von der Firma Vivendi Universal aufgekauft, - die von ihren Gläubigern wegen eines Schuldenberges bedrängt worden war, und wurde damit Herr über das Nachrichtenmagazin L'EXPRESS, die Monatszeitschriften für Wirtschaft L'EXPANSION und L'ENTREPRISE, das Magazin L'ETUDIANT und den Konzern Comareg, der kostenlose Anzeigenblätter herausgibt. Dieses Geschäft mit Kosten in Höhe von etwas mehr als 300 Millionen Euro wurde möglich durch eine Kapitalerhöhung um 336 Millionen Euro, die im Februar 2002 durch den Einstieg des Flugzeugbauers Serge Dassault (Abgeordneter der RPR bis Juni 2002) erfolgte, der bei dieser Gelegenheit 30% des Konzerns Socpresse erwarb (den Rest hielten die Erben Robert Hersants). Durch die Erhöhung seiner Beteiligung auf über 80% des Kapitals von Socpresse im Lauf des Jahrs 2004 ist Dassault zum Gebieter über den ganzen Konzern geworden.

Diese Aufkäufe haben für viel Aufsehen gesorgt und schienen zu der Herausbildung von zwei Polen zu führen: einem eher links ausgerichteten im Umfeld von LE MONDE sowie einem eher rechts orientierten um LE FIGARO. Aber in diesem Wettlauf um die Konzentration darf man die anderen großen Konzerne, die in naher Zukunft expansionsfähig werden, nicht vergessen: Lagardère, Amaury, Ouest-France sowie Prisma Presse (deutschen Ursprungs) und Emap (britischen Ursprungs) (23). Die Konzentration auf dem Pressemarkt ist also bei weitem nicht abgeschlossen, es wird noch viele Überraschungen geben.

In Deutschland ist ein derartiger Wettlauf um Konzentration zwischen den Konzernen, die ihre Sitze fast alle in der Hauptstadt haben, unvorstellbar. Jeder große Konzern (Springer, Bertelsmann/Gruner+Jahr, Burda, Bauer, Holtzbrinck, WAZ und andere) hat sein "Terrain". Es handelt sich bei ihnen um Konzerne in Familienhand, die, regional beheimatet, ihre nationale und internationale Expansion von dieser Basis aus vollzogen haben und mit ihrer Herkunftsregion mehr oder weniger verhaftet bleiben (24). Die beiden größten "überregionalen" Tageszeitungen (SZ und FAZ) sind von diesen großen Konzernen unabhängig. Eine spektakuläre Expansion, ähnlich derjenigen des LE MONDE-Konzerns und von Socpresse, wäre ihnen unmöglich. Dennoch lassen sich einige Innovationen beobachten.

Vor allem in den Anzeigenseiten ist der Vierfarbendruck eingeführt worden. Die Visualisierung durch Fotos, Grafiken zur Information und andere Illustrationsvarianten, die bei den regionalen Tageszeitungen sehr verbreitet sind, wird seit langem auch bei den "Überregionalen" benutzt. Aber diese setzen sie nur sehr sparsam ein: Zu viele Bilder würden nach Überzeugung der Redaktionen die Seriosität der Botschaften in Abrede stellen. Dagegen veröffentlichen alle "Überregionalen" Beilagen, die langfristig vorbereitet und mit mehr Bildern ausgestattet werden können.

Die "überregionalen" Tageszeitungen in Deutschland bringen fast alle am Samstag eine Beilage mit allgemein interessierenden Themen heraus: Dort finden sich Beiträge zum politischen Leben, zur Wirtschaft, zu verschiedenen Ereignissen, zur Gesundheit, zur Literatur, Kultur und den Medien und vieles andere mehr. Auffallend ist die große Zahl von Inseraten in den Wochenendausgaben, die man fast als Werbeblätter bezeichnen könnte. Die Kleinanzeigen unter den Rubriken "Stellenmarkt", "Automarkt", "Immobilienmarkt" (25) ziehen eine Menge Leser an, die nach bestimmten Produkten oder nach einer neuen Beschäftigung suchen. Diese Anzeigen stellen eine wichtige Einkommensquelle für die großen deutschen Tageszeitungen dar.

Die Beilagen in Deutschland sind allerdings keine Magazine. Sie werden in einem regulären Format und auf Papier mit Zeitungsqualität gedruckt. Die einzige Tageszeitung, die ein echtes Wochenmagazin herausbringt, ist die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG mit ihrem SZ-MAGAZIN. Die SZ verlegt außerdem ein Monatsmagazin protestantischer Ausrichtung: CHRISMON (seit Januar 2001), welches aus dem DEUTSCHEN ALLGEMEINEN SONNTAGSBLATT hervorgegangen ist, das eingestellt worden ist (26).

Farben, Visualisierung, neue Konzepte, Magazine, Beilagen, usw.: Es gibt eine Menge Strategien, die Leser zu verführen. Es scheint, als würde die französische Tagespresse sie stärker einsetzen als die "überregionale" deutsche Presse, da sich diese ein wenig auf ihrem etablierten Vertriebssystem des Abonnements und der Zustellung ausruhen kann. Selbstverständlich arbeitet die deutsche Presse auch an Innovationen, aber weniger als die französische Tagespresse, bei der die neuen Strategien vitale Bedürfnisse widerspiegeln.

Diese These soll nun etwas vertieft werden: Die Konkurrenz ist in Frankreich beispielsweise zwischen LE FIGARO, LE MONDE und LIBÉRATION sehr viel größer, da alle in Paris erscheinen, während in Deutschland jede große "überregionale" Tageszeitung in ihrer Herkunftsregion gut verankert ist. Natürlich, als die FAZ und DIE WELT versuchten, Regionalausgaben für München einzuführen, dem Kerngebiet der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG (siehe 3.2 [1] ), war diese ganz und gar nicht begeistert und versuchte ihrerseits die "Konkurrenten" durch neue Lokalausgaben zu bedrohen, die in Frankfurt und Berlin erscheinen sollten. In diesen Fällen jedoch stellte die Konkurrenz keine wirkliche Bedrohung für die bereits gut in ihrer Region eingeführte Tageszeitung dar. Die Bedrohung bezog sich nur auf einen kleinen Leserkreis, der vorher der SZ treu gewesen war, sowie vielleicht einen kleinen Teil der Werbeeinnahmen. Der Wettbewerb ist also in Deutschland nicht so erbittert, was einen gewissen Traditionalismus der Strategien der großen "überregionalen" Tageszeitungen in Deutschland erklärt.

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Anmerkungen

(20) Sur la une aussi bien qu'à l'intérieur du journal. 

(21) Voir par exemple Grosse/ Seibold 21996, 61ss.

(22)Bevort 1994, 17.

(23) Le Monde du 25/9/2002, p. 24, offre un tableau actualisé de la concentration de la presse française. Nous en avons extrait les données les plus importantes.

(24) Cf. Albert/ Koch 2000, 93-97 et Röper 2002.

(25) Traduction: marché de l'emploi, marché des voitures, marché immobilier.

(26) Autrefois, la FAZ, DIE WELT et l'hebdomadaire DIE ZEIT (dont le format est celui des quotidiens) offraient également un supplément magazine hebdomadaire en quadrichromie. Mais ils les ont abandonnés à cause d'un manque d'annonceurs. Pour plus de détails, voir la Neue Züricher Zeitung (NZZ) du 18/11/1999, 73.