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'Früher Beginn : 1871'
 
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Früher Beginn : 1871

Im Jahre 1871 ließ sich die deutsche Herrschaft auf elsässischem Boden nieder. Am 9. Juni wurde vom Reichstag das Unionsgesetz zwischen Elsass-Lothringen und dem Reich verabschiedet, welches dem Kaiser und dem Reichskanzler unter Kontrolle des Bundesrats die Macht über das Gebiet übertrug. Ende August wurde ein Oberpräsident - der preubische hohe Beamte Moeller - an der Spitze des Reichslands ernannt. Hatten die Elsässer einige Illusionen über ihre Zukunft, insbesondere eine Hoffnung auf Autonomie des Reichslands gehegt, so hat sie der « Diktaturparagraph », der dem Oberpräsidenten das Recht zur Ausrufung des Ausnahmezustands einräumte, in die harte Wirklichkeit zurückversetzt.

Abbildung 10:

Im Frankfurter Vertrag (10. Mai 1871) von Deutschland annektierte Gebiete

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [1]

Abbildung 11:

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [2]

So mussten sich die Elsässer dem Unvermeidlichen fügen: Das neue Regime, das Bismarck das letzte Wort über die elsässischen Angelegenheiten verlieh, war für die Dauer bestimmt. 

Kommen wir noch einmal zu Robert Redslob zurück, der sagt (1): « In der ersten Zeit nach dem Frankfurter Vertrag [3]  glaubten die Elsässer, als sie sahen, dass die Deutschen sich in ihrem Land niederlieben, dass es nur vorübergehend sein würde. Man konnte sich nicht vorstellen, dass solch eine ungeheuerliche Situation weiterdauern könnte... Die Annexion ! Man wollte es nicht glauben. Man bildete sich ein, die Kriegsbesetzung würde nur eine Zeitlang dauern ... Damit kann die Resignation erklärt werden, mit welcher zahlreiche Elsässer den Regimewechsel hinnahmen. » 

Trotz dieser Stimmung kam es schon in den ersten Monaten des Jahres 1871 - als die Einwanderer aus allen deutschen Staaten ins Elsass strömten - wieder zu Mischehen; in Straßburg allein waren es 84 im Jahre 1871, 165 im Jahre 1872. Dabei ist zu beachten, dass 1871 unter 30 Ehemännern kein einziger Preube verzeichnet war. Betrachtet man die Berufe der elsässischen und deutschen Eheleute, so findet man 19% Tagelöhner, 17% Arbeiter (hauptsächlich des Baugewerbes), 25% Angestellte, 10% Kleinhändler und lediglich 6% Geschäftsleute. 

Befassen wir uns etwas näher mit einem Beispiel, welches verdeutlicht, dass die Annäherungen zwischen groben Handelsfamilien beidseits des Rheins bereits eine lange Tradition aufweisen. Am 7. September 1871 heiratet Paul Edouard Schaub, aus Augen (Baden) die 1841 in Benfeld geborene Mathilde Mertian. Die Familie Schaub war eine grobe Händlerfamilie mit einer Niederlassung in Manchester, wo der Vater zum Zeitpunkt der Eheschliebung wohnte. Seine Ehefrau stammte aus einer bedeutenden Bürgerfamilie, die bis ins XVIII. Jahrhundert zurückreicht. Jean Mertian stand am Anfang der elsässischen Linie. Aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Landau in der Pfalz stammend, ließ er sich kurz nach 1700 in Boersch (Bas-Rhin) nieder. Der etwa Zwanzigjährige übte den Fleischerberuf aus; 1708 heiratete er Odile Steltz, die zur alteingesessenen Familie der Grau gehörte. Aus der Verbindung ging eine reiche Nachkommenschaft von Händlern und Industriellen hervor, die in Ribeauvillé, Paris und Strabburg angesiedelt war, aber auch von zahlreichen Geistlichen. Die Lehrerin Mathilde Mertian war eine Tochter von Auguste Mertian, Bauführer im Strabenbau, und Enkelin von Bruno, der 1792 von seinen Kollegen zum Direktor des Königlichen Gymnasiums gewählt wurde. Er übernahm damit den Posten von Chayroux, der infolge der Demission des Bürgermeisters Dietrich unter Pierre Monet entlassen worden war. In einer Familie, in der sich zahlreiche Kinder fürs Klosterleben entschieden haben, hat Bruno die Karriere als Lehrer vorgezogen. So wundert es nicht, dass unter den Trauzeugen seiner Enkelin Mathilde zwei Studienräte des Kaiserlichen Gymnasiums zu finden sind, außerdem Jean Macé, damals Studienrat an der Privatschule des Kleinen Schlosses zu Beblenheim, einer von seiner Freundin Coralie Vérenet geleiteten Anstalt. 

Abbildung 12:

Der Kaiserpalast in Strassburg

 

 

 

Internet-Quelle [4]

Die Ehe zwischen Paul Schaub und Mathilde Mertian dokumentiert deutlich die engen Beziehungen, die zwischen badischen Familien, welche internationalen Handel trieben, und dem katholischen Bürgertum im Elsass bestanden. Diese Beziehungen reichen bis ins XVIII. Jahrhundert zurück und schlagen sich immer wieder in der Vereinigung von Familien unterschiedlicher Herkunft nieder. Die Mertians, die im ganzen Elsass durch zahlreiche religiöse Stiftungen bekannt sind und die Erziehungsfragen stets ein ganz besonderes Interesse widmeten, verkörpern in beeindruckender Weise ein aufgeklärtes und den modernen Entwicklungen zugewandtes elsässisches Bürgertum.

Die Untersuchung aller 84 im Jahre 1871 in Strabburg eingegangenen Mischehen zeigt, dass sie nach ähnlichen Mustern geschlossen wurden, wie schon zur französischen Zeit. Sie weisen dieselben nationalen und gesellschaftlichen Kennzeichen auf wie diejenigen vor 1870, gerade so, als ob dazwischen nichts geschehen wäre.

  1. Redslob, 1933.