- Bevölkerungsstruktur, Migration, Minderheiten
- Gesellschaftsvergleiche
- Das Jahr 1968 und die Folgen
- Zwischen Liebe und Recht: das "bürgerliche Ehekonzept" in Frankreich und Deutschland um 1800
- Vorbemerkung
- Die deutsche Einwanderung ins Elsass
- Die Verteilung der deutschen Bevölkerung im Elsass
- Der Sonderfall Straßburg. Herkunft der deutschen Einwanderer nach Staatsangehörigkeit: Badener, Württemberger, Preußen, Sachsen, Pommeraner.
- Die Mischehen in den ersten Jahren des Reichslands
- Früher Beginn : 1871
- Die Mischehen unter dem Juli-Königtum und dem Zweiten Kaiserreich
- Die Besonderheit der Mischehen während der französischen Zeit
- Die ersten Annäherungen zwischen den beiden Gesellschaften: 1871-1890
- Die Integration der Arbeiter und Handwerker
- Die schwierige Integration der Händler und Kaufleute
- Die Ablehnung der « deutschen Wissenschaft »
- Eine neue Ära : die letzte Phase des Reichslands 1890 - 1914
- Ein neuer Kontext
- Die Integration der Angestellten
- Die Öffnung hin zu den freien Berufen
- Die Ehen in Akademikerkreisen
- Bibliographische Angaben
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Das neue Ehesystem
Von 1873 an kommt es in Straßburg zu einer ungewöhnlich hohen Anzahl von Mischehen:
1873 | 1874 | 1875 | 1876 | 1877 | 1879 | 1880 |
13,4% | 18,0% | 21,4% | 18,5% | 20,7% | 22,7% | 20,6% |
Quelle: Uberfill, 2001 |
Bis 1914 blieben sie auf diesem Niveau, mit Werten, die in zahlreichen Jahren 25% erreichten und die nur selten unter 20% abfielen. Zählt man die Ehen zwischen deutschen Eheleuten dazu, so erreicht man einen Prozentsatz von 40% der in Strabburg geschlossenen Ehen, in denen mindestens einer der Ehepartner die deutsche Staatsangehörigkeit hatte. Die Zunahme der Mischehen geht auf das plötzliche Auftreten der Preuben in der Strabburger Gesellschaft zurück. Sie repräsentieren von 1875 an rund 42% der "Altdeutschen", aus Gebieten östlich der Elbe stammten allein 22% der Einwanderer. Der Anteil der ostelbischen Immigranten schwankte in der Reichslandzeit zwischen 22 und 40%, in der französischen Zeit hatte er soeben zwei Prozent betragen.
Diese Veränderung ist von Bedeutung. Das männliche Geschlecht überwog in einem Verhältnis von 4 zu 1. Der Eintritt in die elsässische Gesellschaft nach der Annexion kam damit fast unmittelbar einem Eindringen in die elsässischen Familien gleich. Hierin lag die Hauptursache für eine zweite Veränderung in der Art, wie es zu den Mischehen kam. Während des Juli-Königtums und im Zweiten Kaiserreich waren die Ehen sehr ausgeglichen: zur Hälfte waren es Deutsche, die Elsässerinnen ehelichten, und zur Hälfte Strabburger, die deutsche Frauen heirateten. Von 1885 an veränderte sich dieses Verhältnis: bis 1914 bestehen die Mischehen zu zwei Dritteln aus deutschen Männern, die Elsässerinnen heiraten. Aus einem ehemals ausgewogenen Geschlechterverhältnis war eine durch die Männer dominierente Beziehung geworden.
Gleichzeitig änderten sich die regionale Maßstäbe. Der Anteil der Oberrheinländer, der vor 1870 rund 90% der Ehegatten in den Mischehen ausgemacht hatte, ging auf weniger als 50% zurück. Die Verhältnisse kehrten sich somit auch hier um.
Schlieblich hatte die grobe Anzahl der Preuben in den Mischehen zur Folge, dass das soziologische Niveau sinkt: die Tagelöhner, die Arbeiter, und schlieblich die Handwerker trugen zur Bildung von 60% der Mischehen bei. Danach kamen die Angestellten (um 25%). Der Anteil der Handwerksmeister und Geschäftsleute ging dagegen bedeutend zurück, während die Vertreter des Grobhandels und der freien Berufe total verschwanden, und dies für mehr als zwanzig Jahre.