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'Coudenhove-Kalergi'
 
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Nachdem schon 1921 Louis Loucheur (1872-1931) und Walther Rathenau (1867-1922) mit Blick auf die amerikanische wirtschaftliche ,Bedrohung' eine deutsch-französische Wirtschaftskooperation ins Auge gefaßt hatten, äußerte sich der damalige französische Ministerpräsident Edouard Herriot (1872-1957) 1924 zugunsten einer europäischen Wirtschaftsintegration. Dem Völkerbund traute er es zu, die Entstehung der Vereinigten Staaten von Europa befördern zu können. Herriots Rede in Lyon bewirkte die Einsetzung eines "Koordinationskomitees für eine europäische Zollunion". Ziel sollte bereits damals die Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Marktes sein! Es war kein Zufall, daß Herriot nach dem Zweiten Weltkrieg eine aktive Rolle im europäischen Integrationsprozeß spielte. 1924 war überhaupt ein fruchtbares Jahr für Europa. In mehreren Ländern erschienen Bücher, die die Vereinigten Staaten von Europa zum Gegenstand hatten, der dänische Arzt Heerfordt warb in den skandinavischen Ländern für die Gründung einer "Europa-Gesellschaft". Auf dem 33. Weltfriedenskongreß 1924 in Berlin waren die verschiedenen Konzepte soweit gediehen, daß bereits eine Debatte über das richtigere Konzept geführt werden mußte. Der Wirtschaftler Walther Schmücking verwies auf die weltweite wirtschaftliche Verflechtung und sah den Völkerbund als das geeignetere Instrument an, während Graf Richard N. Coudenhove-Kalergi [1] (1894-1972) ab 1923, beginnend mit seinem "Paneuropäischen Manifest" für Paneuropa warb. 1925, auf dem Heidelberger Parteitag der SPD, erreichte deren linker Flügel die Aufnahme eines Artikels in das Parteiprogramm, daß Sozialdemokraten sich für eine "Europäische Wirtschaftsunion" als Weg in die Vereinigten Staaten von Europa einsetzten. (Pegg 1962).

Die Paneuropa-Union Coudenhove-Kalergis erreichte einige Tausend Mitglieder, darunter viel politische Prominenz. Mit Paneuropa-Kongressen, deren erster 1926 in Wien zusammentrat, einer Zeitschrift und Büchern sowie einem unermüdlichen Coudenhove-Kalergi hielt sich die Paneuropa-Union im öffentlichen Gespräch. Führende Politiker übernahmen eine Art Ehrenschutz, so Aristide Briand [2] , der 1927 Ehrenpräsident der Paneuropa-Union wurde. Die inhaltlichen Positionen stießen keineswegs überall auf Zustimmung, da der Graf die Sowjetunion und vorerst Großbritannien von seinen Plänen ausschloß, außerdem rechnete er die Kolonialgebiete wie selbstverständlich zu seinem Europa hinzu, seine Vorstellungen von Demokratie waren nicht frei von aristodemokratischen Zügen. Die besondere Behandlung Großbritanniens entsprach allerdings der überwiegenden britischen Haltung, die Winston Churchill (1874-1965) schon 1930 in der Ausgabe vom 15. Februar der Saturday Evening Post so auf den Punkt brachte: "Wir sind mit Europa, aber nicht in Europa; mit ihm verbunden, aber nicht eingeschlossen. Wir sind interessiert und assoziiert, aber nicht absorbiert". (zit. nach Foerster 1967: 302)

Text aus: Wolfgang Schmale: Geschichte Europas (UTB), Wien 2001, S. 109-111 (mit freundlicher Genehmigung des Böhlau-Verlages Wien)