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'Es soll von "Europavorstellungen" die Rede sein: und was heißt "Europa"? - Ein kurzer Gang durch die Geschichte von Herodot bis Heute'
 
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Es soll von "Europavorstellungen" die Rede sein: und was heißt "Europa"? - Ein kurzer Gang durch die Geschichte von Herodot bis Heute

Der Begriff "Europa [1] " ist einerseits sehr alt und andererseits sehr jung. In der griechischen und römischen Antike besaß "Europa" hauptsächlich einen geographischen Sinn. In Herodots "Historien" [2] deutete sich ein zivilisatorischer Gegensatz zwischen Europäern und Persern an, aber gemeint waren im Grunde nur die Griechen. 

Die Welt des Herodot [3] (um 450 v. Chr.)




Quelle der Karte [4]

Für die Römer hatte die Bezeichnung "Europa" wenig Relevanz; was ihnen wichtig war, drückte sich im Begriff des "Imperium Romanum" aus. Natürlich fungierte "Europa" als geographischer Begriff, und die geographischen Erkenntnisse erfassten zunehmend auch den bis dahin eher mythischen Norden Europas. Im Mittelalter war "Christenheit" der entscheidende Begriff, aber ab dem 13./14. Jahrhundert kam es zu einer allmählichen Aufladung der geographischen Bezeichnung "Europa" mit "Christentum". Das mag an der faktischen Beschränkung der Christenheit auf Europa gelegen haben. Die Eroberung Konstantinopels 1453 schließlich führte erstmals zum Bewusstsein einer europäischen Identität: Mit den Osmanen und ihrer nicht eindämmbaren Expansion nach Westen, nach Europa, war ein klares Feindbild gewonnen. Und man weiß ja, dass Feindbilder genutzt werden, um die Ausbildung einer Identität zu befördern. Es war weiterhin eine christliche Identität. Die Osmanen wurden als "Erbfeind" im biblischen Sinne, sprich: als Satan bezeichnet, gegen den sich die europäische Christenheit zur Wehr setzen sollte. Es setzte eine intensive Propaganda gegen die Türken ein, mit deren Hilfe geographischer Raum (Europa) und Zivilisation (Christentum/Christenheit) zur Deckung gebracht wurden. Die Sache wurde durch die Aufspaltung der Christenheit in Ost- und Westkirche erschwert, und die Reformation [5] im 16. Jahrhundert erleichterte das propagandistische Geschäft ebensowenig. Schlimmer noch! - der französische König Franz I. [6] (1515-1547) ließ sich - aus der Sicht des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation - mit diesem Satan diplomatisch ein! Und damit sind wir eigentlich schon bei den französischen und deutschen Europavorstellungen. Doch zuvor noch kurz das weitere Schicksal des Begriffes "Europa". Während Europa bis ins frühe 17. Jahrhundert überwiegend mit Christenheit und "Christlicher Republik" (respublica christiana) ineins gesetzt wurde, machte sich nach dem Westfälischen Frieden von 1648 ein neues doppeltes Verständnis breit: Einerseits wurde Europa oder auch die Christliche Republik zum Synonym für das entstehende Mächtesystem, das dem Prinzip des Mächtegleichgewichts folgte, andererseits wurde Europa auch zu einem kulturellen Begriff: Unter den damals bekannten vier Kontinenten der Erde (Europa, Asien, Amerika, Afrika - diese Reihenfolge entspricht der kulturellen Hierarchie, an die geglaubt wurde) wurde Europa als der kulturell haushoch überlegene angesehen. Die damals beliebten Erdteilallegorien machten das auf einen Blick deutlich.

Erdteilallegorien: Haus "Zum Fuchs" der Krämerzunft, Brüssel, 1699.

Die Fassade zeigt in Blickrichtung auf das Haus in der Mitte die Allegorie der Justitia, rechts davon die Allegorien der Asia und der America, links die Allegorien der Europa und der Africa. Die Justitia wird von einem göttlichen Sonnen-symbol überstrahlt.

Europa und Asia, die beiden "ältesten" Kontinente, sind seit der antiken Überlieferung die würdigsten und befinden sich direkt neben der Justitia, Africa und America weiter außen. Die Europa trägt als hierarchisierendes Unterscheidungsmerkmal eine goldene Krone und das Füllhorn als Zeichen des Überflusses (s. Detailansicht). Dies bedeutet, dass Europa die Königin unter den vier Kontinenten (erst später wurden mit Australien fünf Kontinente gezählt) ist und dass sich dieser Kontinent im Gegensatz zu den anderen durch eine überreiche Natur und Zivilisation auszeichnet. Dies entspricht den gängigen Beschreibungen Europas in geographischen und historischen Texten.

Foto und Text: W. Schmale

Wiederum war es eine Abgrenzung, diesmal gegenüber den anderen Kontinenten, die zur Schärfung eines eigenen kulturellen Europabewusstseins führte. In der Aufklärung wurde der kulturelle Europabegriff materialisiert, d.h. es wurde genau beschrieben, worin die europäische Kultur bestand. Der kulturelle Europabegriff hat bis heute seine Gültigkeit bewahrt. Europäische Kultur im materiellen Sinn wird durch die europäische Integrationspolitik gestärkt. Hinzugetreten ist der Begriff von Europa als einer Kultur von Werten (Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte u.ä.), die zur Grundlage der politisch angestrebten europäischen Identität gemacht werden.