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'Die nationalsozialistischen Europakonzepte'
 
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Die nationalsozialistischen Europakonzepte

Der Nationalsozialismus hat zwar Europavorstellungen entwickelt, aber gemessen an der Tradition der Europaidee waren diese anti-europäisch. Versklavung aufgrund einer Rassendoktrin kennzeichnet hingegen den nationalsozialistischen Europabegriff. Entwickelt wurde dieser überwiegend erst seit Beginn des Krieges 1939, dann aber mit solcher Vehemenz und Erfolg, dass der traditionelle, auf europäischem Rechtsdenken aufbauende Europabegriff fundamental gefährdet wurde. Das nationalsozialistische Europadenken wurde besonders auch über Zeitschriften, Kongresse und Ausstellungen verbreitet, hinzukam die Propaganda über Radio und Lautsprecher.

Der propagandistische Nutzen von "Europa" als Schlagwort war offensichtlich. Man kann mehrere Felder unterscheiden, in denen eine nicht völlig deckungsgleiche Propaganda betrieben wurde. Zum einen die allgemeine Propaganda durch Goebbels, Rosenberg, Himmler u.a. Zum zweiten durch das Wirtschaftsministerium, zum dritten durch das Außenministerium, zum vierten durch die SS selbst. Hinzu kamen die Kollaborateure in zahlreichen Ländern, die die propagandistische Europarhetorik aufgriffen.

Gründungsveranstaltung des "Europäischen Jugendverbandes" im "Gauhaus" (Parlamentsgebäude) in Wien am 16. September 1942: Europa und der Stier als mythologischer Bezugspunkt im Lichthof des Parlaments

 

 

 





Quelle: Österreichische Gesellschaft für Zeitgeschichte, Wien-Bildarchiv

Bei genauerem Hinsehen wurde die Europa-Propaganda genauso systematisch wie jede andere Propaganda der Nazis auf bestimmte Schlüsselbereiche ausgedehnt: Beamte, Partei, Akademiker und Wissenschaft, Wirtschaft, Jugend, Wehrmacht usw. Zugelassen wurde ein breit angelegter, auch gemäßigter Europadiskurs, im Keim erstickt wurden gemäßigte Initiativen, an eine ernsthafte Europapolitik in der Tradition des Europadiskurses stehend wurde überhaupt nicht gedacht. Es handelte sich entweder um pure Propaganda oder die Instrumentalisierung gemäßigterer Anschauungen, um bestimmte Sozialgruppen im In- und Ausland für sich zu gewinnen.

Erst nach dem Angriff vom 22. Juni 1941 auf die Sowjetunion entwickelte sich der Kern einer Idee - mehr nicht; von Konzept kann nicht gesprochen werden - um die Idee eines Kreuzzuges gegen den Bolschewismus herum (die Kreuzzugssymbolik wurde in Plakaten verwendet). Die Wende im Russlandfeldzug führte ab Mitte 1942 dazu, dass Joseph Goebbels (1897-1945) vermehrt in der Öffentlichkeit Europa-Ideen entwickelte. Sein Bruch mit den Traditionen der Europaidee wird aus folgendem Zitat deutlich (4. Oktober 1942 zum "neuen Europa"): "Die Erfahrung der Vergangenheit seit dem Ende des ersten Weltkriegs und die geschichtliche Erfahrung im ganzen weisen nach, daß ein Zusammengehen von Völkergruppen zum Zwecke der einheitlichen Vertretung gemeinsamer Interessen überhaupt nur auf dem Wege eines im Kampf gewordenen und von allen anerkannten Führungsanspruchs des Stärkeren ermöglicht werden kann. Man mag das bedauern, aber es ist so, daß nur der Krieg jene Aufweichung von Erstarrungen und Verkrustungen bewerkstelligt, die die Voraussetzung für die Bildung neuer nationalpolitischer Gemeinschaften ist." (1)

Die traditionelle Europaidee diente dem Frieden, die nationalsozialistische dem Krieg. Goebbels präzisierte die nationalsozialistische Europaideologie in einem Erlass vom 15. Februar 1943 dahingehend, dass die 'europäischen Kräfte' zum "Kampf gegen den jüdischen Bolschewismus" zusammengefasst werden müssten. (2)

1) Lipgens, Walter (Hg.): Europa-Föderationspläne der Widerstandsbewegungen 1940-1945. Dokumentation, München 1968

2) Lipgens, Walter (Hg.): Documents on the History of European Integration. Vol. I: Continental Plans for European Union, 1939-1945, Berlin, New York 1985

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