- Politische Struktur, Zentralismus, Dezentralisierung
- Die Saarfrage in historischer Perspektive
- Grenzraum Saar-Lor-Lux - eine Modellregion für Europa?
- Wirtschaftsbeziehungen im saarländisch-lothringischen Grenzraum
- Vorbemerkung
- Grenzland seit römischer Zeit
- Alamannen und Franken: Bezwinger der Römer
- Die "Fränkischen Teilungen" und ihre Folgen
- Ständige Grenzverlagerungen seit dem Absolutismus
- Der deutsch-französische Streit um Elsass-Lothringen
- Regionalsprachen in Frankreich
- Das Deutschlandbild in Frankreich
- Das Frankreichbild in Deutschland
- Deutsch-französische Beziehungen und Kontakte
- Hypotheken für die europäische Einigung?
- Grenzüberschreitende Kooperation im Oberrheingebiet
- Unternehmens- und Kapitalverflechtung
- Arbeitsbeziehungen und Grenzgängertum
- Kulturelle Kooperation: einige Beispiele
- Fazit: Neue regionale Identitäten in einem neuen Europa?
- Quellen
- Deutsche Zuzügler im südlichen Elsass - Probleme der Europäisierung des Immobilenmarktes
- Kapitalverflechtungen im europäischen Integrationsprozess, dargestellt am Beispiel der elsässischen Oberrheinregion
- Energie und Umwelt in Frankreich und Deutschland
- Regionale Beispiele
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'Die elsässische Sprache als Identitätsmerkmal '
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Die elsässische Sprache als Identitätsmerkmal
Dies trifft auch auf das Elsass zu, wo sich mit dem Elsaessisch [1] eine Regionalsprache erhalten hat, die zum germanischen Sprachgebiet gehört. Nachdem die Alamannen den Limes überrannt und sich im Oberrheingebiet festgesetzt hatten, konnte sich auch ihre Sprache rasch etablieren. Es entstand eine Sprachgrenze entlang der Vogesen, die fortan das linksrheinische Oberrheingebiet vom übrigen Gallien trennte. Dort blieb auch nach der endgültigen Niederlage der Römer das Lateinische als Amtsprache erhalten, während das Gebiet östlich der Vogesen von nun an zum deutschen Sprachraum gehörte, der sich jenseits des Rheins fortsetzte. Selbst im 17. Jahrhundert, als das Elsass durch den Westfälischen Friedensvertrag [2] an das Französische Reich angegliedert wurde, änderte sich an der Sprachensituation zunächst nur wenig, da Ludwig XIV. zwar an einer territorialen, weniger aber an einer sprachlichen Assimilation interessiert war.
In der jüngeren Entwicklung war die Situation im Elsass dadurch kompliziert, dass sich seit dem Deutsch-französischen Krieg (1870/71) die politische Zugehörigkeit mehrfach veränderte, was mit einer aggressiven Sprachenpolitik (Kulturpolitik) der jeweiligen Machthaber einherging. Dies zeigte sich während des Deutschen Kaiserreichs sehr deutlich, indem das Deutsche nach rd. 220 Jahren frankophoner Zugehörigkeit im "Reichsland Elsass-Lothringen [3] " wieder zur offiziellen Sprache wurde, verbunden mit einem hohen Maß an Intoleranz gegenüber dem Französischen.
Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte sich die Situation erneut um. Die nunmehr wieder französische Verwaltung betrieb eine extreme sprachliche und kulturelle Assimilationspolitik, ohne Rücksicht auf elsässische Eigenarten. Französisch wurde als offizielle und einzige erlaubte Sprache für eine zu diesem Zeitpunkt 90% deutschsprachige Bevölkerung verbindlich, wobei die Verwendung des Deutschen unter Androhung von Sanktionen sogar verboten war.
Nach dem Intermezzo des Zweiten Weltkriegs mit wiederum veränderten politischen Vorzeichen zwischen 1940 und 1945 setzte sich die Bekämpfung der Regionalsprachen in Frankreich zunächst noch fort. Erst zu Beginn der 1950er Jahre wurden sie in mehreren Schritten wieder erlaubt (z. B. durch das Loi Deixonne [4] , 1951), gleichwohl bedeutete dies nicht deren uneingeschränkte Akzeptanz oder gar Förderung. Vielmehr wurde der Bevölkerung eingeredet, dass es einfach "chic" sei, Französisch zu sprechen. Elsaessisch sei dagegen "bäuerlich" und habe keine Zukunft.
Das Gesetz Deixonne (1953) bedeutete zwar eine Abkehr von der restriktiven Sprachenpolitik, jedoch nicht gleichzeitig die Förderung der Regionalsprachen. Vielmehr wurde der Bevölkerung eingeredet, dass es "chic" sei, Französisch zu sprechen, wie es eine Karikatur Tomi Ungerer illustriert. Elsaessisch sei dagegen "bäuerlich" und habe keine Zukunft.
Sprachgeographisch handelt es sich beim sogenannten "Elsaessisch" um eine alemannische Mundart in verschiedenen Varianten und Vermischungen. Vor allem die älteren Elsässer sind häufig zweisprachig und beherrschen neben dem Französischen auch das Elsaessisch. Dabei ist der Gebrauch des Elsaessisch jedoch vorwiegend auf das Privatleben beschränkt. Französisch beherrscht dagegen das gesamte öffentliche Leben, ist Schulsprache, Mediensprache, Verwaltungssprache und zum großen Teil auch Arbeitssprache.
Allerdings ist das Elsaessische heute nicht ungefährdet, da nur noch rund 20% der Schulpflichtigen die Sprache wirklich beherrschen. Ein Grund dafür ist, dass insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg und als Reaktion auf das Dritte Reich eine bewusste Abkehr von Deutschland erfolgte. Das erklärt auch den relativ geringen Widerstand, den die Elsässer nach der Befreiung 1945 der Politik der sprachlichen Assimilation durch den französischen Staat entgegensetzten. Eine Fortsetzung dieses Trends würde bedeuten, dass innerhalb der nächsten Generation das Elsaessische weiter an Boden verlieren würde.
In jüngerer Zeit sind jedoch Tendenzen sichtbar, die diesem Trend entgegensteuern. 1981 trat eine Liberalisierung im Schulsystem ein, die eine Enttabuisierung der elsässischen Problematik zur Folge hatte. Eine Konsequenz war, dass der Deutschunterricht, der bis 1970 als Schulfach nicht existierte, in den beiden letzten Grundschuljahren wieder zugelassen wurde. Dies wird sicherlich zur Bewahrung der deutschen Sprache beitragen, auch wenn das elsässische Kulturleben in vielen Bereichen längst Bestandteil der französischen Kultur geworden ist (vgl.: Landeszentrale für politische Bildung, 1996, S.4-5).