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'Soziale Integration: Ziele, Wege, Probleme'
 
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Soziale Integration: Ziele, Wege, Probleme

Es gibt keinen politischen und gesellschaftlichen Konsens über die "richtige" Einwanderungspolitik, sondern eher zwei gegensätzliche Konzepte:

    
Das Modell der Assimilation [*]Das kosmopolitische Modell
Die Minderheiten passen sich weitgehend an die Normen und Werte der Mehrheit an (Leitkultur)Die kulturelle Vielfalt im Land wird dauerhaft akzeptiert. Die Zuwanderer behalten ihre eigene Identität
Die Integrationsleistung wird vor allem von den Zuwanderern erbrachtAlle Bürger respektieren das "Anderssein" der Zuwanderer als Element der kulturellen Bereicherung
Nach erfolgreicher Integration erhalten die Zuwanderer alle Rechte und Pflichten der Mehrheitsbevölkerung Die Zuwanderer erhalten möglichst schnell umfassende soziale und bürgerliche Rechte
Durch die Homogenität der Bevölkerung können Konflikte weitgehend vermieden werdenEs gibt eindeutige Regeln, um Konflikte im Miteinander der verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu lösen

Zunehmend gewinnt aber eine vermittelnde Position [1] an Bedeutung, die einerseits von der Mehrheitsbevölkerung eine Bereitschaft zur Aufnahme der Zuwanderer verlangt, andererseits von den Zuwanderern einen aktiven Einsatz für einen erfolgreichen Integrationsprozess [2] fordert.

Heute gibt es in vielen Bereichen unzählige Beispiele für die gelungene Integration von Ausländern. Dabei stellen die Ehen zwischen deutschen und ausländischen Partnern sicher die intensivste und nachhaltigste Form der Integration dar. Im Jahr 2000 waren über 411.000 ausländische Frauen mit einem Deutschen verheiratet, 395.000 deutsche Frauen lebten in einer Ehe mit einem Ausländer, d.h. in immerhin 4 % aller Ehen in Deutschland gab es eine binationale Partnerschaft. [3] Dabei ist zu beobachten, dass Kinder in diesen Familien häufig in Konflikte geraten, falls beide Eltern an ihren herkunftsbedingt unterschiedlichen Normen und Werteskalen festhalten.

Eheschließungen zwischen deutschen und Ausländern 1990 - 1999





Quelle: www.bib-demographie.de/info/info_lage2001.html

Eine große Bedeutung für das Gelingen von Integrationsprozessen hat der Ausbau der gemeinsamen Erziehung von deutschen und ausländischen Kindern. Bis in die neunziger Jahre hinein wurde nicht vom dauerhaften Verbleib der Zuwanderer ausgegangen, so dass Umorientierungen oder Reformen verspätet kamen. Beispielsweise wurde das Konzept der "interkulturellen Pädagogik" erst im Verlauf der neunziger Jahre angewandt, und dies meist auch dann nur zögerlich. Der Einführung eines islamischen Religionsunterrichtes als ordentliches Unterrichtsfach, in der Öffentlichkeit seit 1999 intensiv diskutiert und mit Sorge betrachtet, fehlen bislang die Voraussetzungen. Im Jahr 2002 wurde schließlich von der nordrhein-westfälischen Landesregierung die Einrichtung eines Lehrstuhls für islamische Theologie und Religionspädagogik beschlossen, an dem Lehrerinnen und Lehrer für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet werden sollen. Dass jedoch gerade im schulischen Bereich noch große Probleme bestehen zeigt nicht zuletzt die Kopftuch-Diskussion, die über Jahre hinweg die deutsche Gerichtsbarkeit bis hin zum Bundesverfassungsgericht beschäftigte.

Die Lehrerin Fereshta Ludin kämpfte sich im Kopftuch-Streit durch die Instanzen





Quelle: www.spiegel.de/sptv/magazin/0,1518,267547,00.html

Abhängig von der lokalen Struktur der Bevölkerung müssen weitere binationale Bildungseinrichtungen, z.B. nach dem Modell der Berliner deutsch-türkischen Schulen, eingerichtet werden, die als Begegnungsstätten eine brückenbildende Aufgabe übernehmen können.

Zu den besonders wichtigen Integrationsebenen zählt auch das Vereinsleben [4] . Vor allem bei den türkischen Zuwanderer gibt es inzwischen viele Zusammenschlüsse, um die eigene Kultur zu erhalten und an die Kinder weiterzugeben, aber auch um Kontakte mit anderen Gruppen oder mit der deutschen Bevölkerung zu fördern. Diese Vereine sind in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen aktiv und bieten oft eine Art "Ersatzheimat".

In vielen Vereinen Deutschlands sind mehrere ethnische Gruppen vertreten. Beispiel: Der AC Einigkeit in Elmshorn




Quelle: www.ac-einigkeit.de/foto.htm

Vielfach werden diese Aktivitäten jedoch von politischen und religiösen Gruppen aus dem Herkunftsland gesteuert. Als vor einigen Jahren ethnische und politische Konflikte zwischen Kurden und Türken auf deutschem Boden ausgetragen wurden, reagierte die Mehrheitsbevölkerung zumeist mit Entrüstung und es wurde deutlich, dass etliche Vereine von Zuwanderern kein Interesse an einer Förderung der Integration ihrer Mitglieder in unsere Gesellschaft haben. Es ist deshalb wichtig, die Tätigkeit binationaler Vereine zu fördern, die ja vielfach bereits existieren. Solche Vereine, wie z.B. deutsch-ausländische Jugendclubs, multikulturelle Begegnungsstätten u.ä., können gerade in den Ballungsgebieten als Bindeglieder zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen integrative Aufgaben erfüllen, wenn sie von der kommunalen Verwaltung unterstützt werden. Dabei ist zu festzustellen, dass vor allem die Sportvereine, die gerade bei jungen Leuten über ein erhebliches integratives Potenzial verfügen, diese gesellschaftspolitische Aufgabe und Chance kaum erkannt haben.

Homepage von Radio MultiKulti (Berlin)


Quelle: www.multikulti.de

Von entscheidender Bedeutung für das Gelingen von Integrationsprozessen ist schließlich das Medienangebot. Eine Umfrage ergab 1997, dass 55 % der in Deutschland lebenden Türken ausschließlich türkische Zeitungen lesen, die Hälfte hört nur türkisches Radio und 40 % sehen nur türkisches Fernsehen. Inzwischen kann man in Deutschland bis zu zehn türkische Fernsehprogramme empfangen und es ist klar, dass eine solche Mediennutzung mit ihrer vielfach kritischen Berichterstattung gegenüber Deutschland eher eine Abgrenzung und Distanzierung der Türken von ihrer deutschen Lebenswelt fördert. In einigen Bundesländern werden die traditionellen Ausländerprogramme seit den 90er Jahren in ein neues, multikulturelles Programmformat eingebettet, das heute als Gemeinschaftsproduktion von Sender Freies Berlin, WDR Köln und Radio Bremen entsteht. Am 18. September 1994 startete der SFB mit Radio MultiKulti [5] ein vielsprachiges Metropolenradio, das den multikulturellen Anspruch schon im Namen trägt und heute in gut 20 Sprachen sendet. Am 30. August 1998 eröffnete der Westdeutsche Rundfunk auf der weitreichenden UKW-Frequenz 103,3 MHz das multikulturelle "Funkhaus Europa". Radio Bremen schloss sich am 4. Mai 1999 mit seiner Mittelwelle an und liefert dem Programm eigene Produktionen zu.