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- Migrationen und kultureller Austausch seit 1815
- Wirtschaftliche Migration, politisches Exil und soziale Kritik: Deutsche in Paris im 19. Jahrhundert
- Minderheiten, Immigranten und Integration in Frankreich
- Einführung in das Thema
- Demographische Umbrüche in Deutschland seit 1960
- "Ich nix deutsch!" - Die Anwerbung von Gastarbeitern
- Die (Spät-)Aussiedler
- Asylbewerber, Flüchtlinge und Ausländer ohne Aufenthaltsstatus
- "Deutschland ist (k)ein Einwanderungsland"?
- Problemfelder der Integration: Schule und Ausbildung
- Soziale Integration: Ziele, Wege, Probleme
- Die Auseinandersetzung um eine gesetzliche Regelung der Zuwanderung
- Laizität und Religionen im heutigen Frankreich
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- Das Jahr 1968 und die Folgen
- Begegnungen im Alltag
'Problemfelder der Integration: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft'
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Problemfelder der Integration: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
Quelle: www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0036/bg_ws05.htm
Die Integration der ausländischen Bevölkerung in Deutschland ist inzwischen so heterogen, dass die Erstellung einer Integrationsbilanz nur schwer möglich ist. Tatsache ist, dass inzwischen in vielen Gremien auf kommunaler, regionaler oder auch auf nationaler Ebene nichtdeutsche Mitbürgerinnen und Mitbürger Verantwortung übernommen haben, nicht nur für sich und ihre eigene Gruppe, sondern auch für die deutsche Bevölkerung, mit der sie in Nachbarschaft leben. Neben einigen Integrationserfolgen in der Politik, im Bildungsbereich und auch im Erwerbsleben bestehen aber in genau diesen Bereichen nach wie vor Probleme, die nur dann bewältigt werden können, wenn beide Seiten, also sowohl Zuwanderergruppen als auch die deutsche Gesellschaft, die entsprechende Einstellung teilen und daraus Konsequenzen ziehen.
Abgeordnete türkischer Abstammung im Deutschen Bundestag: Lale Agkün, Ekin Deligöz, Cem Özdemir
Die Verhältnisse im Bereich der wirtschaftlichen Integration komplex. Im April 1999 waren 3,5 Mio. Ausländer erwerbstätig. Damit betrug der Anteil der Berufstätigen an der gesamten ausländischen Wohnbevölkerung 49 %, was in etwa dem entsprechenden Anteil der Gesamtbevölkerung in Deutschland entsprach. Allerdings hat die allgemein geringere Qualifikation der Ausländer zur Folge, dass sie überwiegend als Arbeiter tätig sind, während sie in gehobenen und höheren Funktionen relativ selten Beschäftigung finden [1] .
Erwerbstätige Ausländer nach der Stellung im Beruf
Quelle: www.isoplan.de/aid/2000-1/statistik.htm
Manche Wirtschaftszweige weisen einen besonders hohen Ausländeranteil auf. So arbeiten Italiener häufig im Gaststätten- und Hotelgewerbe, Portugiesen und Türken in der Automobilindustrie, Spanier im Handel. Mitbürger aus dem ehemaligen Jugoslawen finden sich bevorzugt im Baugewerbe. Vielfach handelt es sich um angelernte Tätigkeiten sowie um Schicht- und Akkordarbeit. Allerdings ist in den letzten Jahren die Zahl der Ausländer gestiegen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben. So gibt es z.B. allein in Berlin 5.000 türkische Unternehmen mit etwa 20.000 Mitarbeitern, die in ganz unterschiedlichen Bereichen der Wirtschaft tätig sind.
Anteil der Ausländer an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland.
Zu Beginn dieser Entwicklung war die Bedeutung der sogenannten "Nischenökonomie" unübersehbar. Im Laufe der Zeit erweiterten sich jedoch die Branchen, in denen ausländische Unternehmen tätig sind. Nicht nur wie traditionell in der Lebensmittelbranche und der Gastronomie, sondern auch in den Bereichen Dienstleistungen, Handwerk, Bau, produzierendes Gewerbe und Technologie bereichern ausländische Anbieter die Angebotsstruktur. Allein die Zahl der türkischen Selbständigen in Deutschland beläuft sich inzwischen auf fast 60.000.
Türkische Unternehmen in Deutschland nach Wirtschaftsbereichen
Quelle: egora.uni-muenster.de/FmG/fremdenfeindlichkeit/m0209e.shtml
"Die Selbständigenzahl zeigt deutlich, dass die Türken auf die gesellschaftliche Herausforderungen (besonders nachhaltig) reagiert haben und ihr aktiv begegnen. Trotz des eklatanten Arbeitskräfteabbaus in Kohle- und Stahlindustrie haben die zugewanderten Menschen, die einst als Arbeitskräfte für diese Branche angeworben wurden, sowie ihre Nachkommen ihren Platz im deutschen Wirtschaftsleben damit zu einem beachtlichen Teil eigeninitiativ (wieder-) gefunden. Dies belegt die wirtschaftliche Dynamik der Gruppe der Migranten. Der seit den 90er Jahren anhaltende Gründerboom wirkt sich sowohl auf die gesellschaftliche Integration insgesamt als auch auf die allgemeine Beschäftigungs- und Wirtschaftssituation in der Bundesrepublik aus. Türkische Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag zur Entlastung des Arbeitsmarktes durch die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, entrichten Steuern und Abgaben, bereichern das Angebot von Waren und Dienstleistungen, fördern den Wettbewerb auf dem lokalen und regionalen Markt und entlasten die Sozialkassen."
Quelle: www.bpb.de/publikationen/7LG87X,6,0,T%FCrkische_Minderheit_in_Deutschland.html (08.11.2003)
Das größte türkische Unternehmen in Deutschland ist der Reiseveranstalter Öger-Tours. Dieses Unternehmen erzielte im Jahr 2000 mit 192 Mitarbeitern einen Umsatz von 757 Mio. DM. Weitere große Unternehmen sind die Marmara Group, die im Lebensmittelbereich mit 100 Mitarbeitern 2000 rd. 120 Mio. DM Umsatz erzielte. Die HMB Bau AG Contracting erreichte mit ihren knapp 600 Mitarbeitern im gleichen Jahr einen Umsatz von 287 Mio. DM.
Quelle: www.mesken.de/stat8.htm (08.11.2003)
Öger-Tours, das größte türkische Unternehmen in Deutschland
Quelle: www.oeger.de/index.htm
Vural Öger, Chef von Öger-Tours
Quelle: www.hansaplatz.de/ki-ar12.htm
Unbeschadet dieser "Erfolgsstorys" bleibt es eine Tatsache, dass Ausländer stärker von Arbeitslosigkeit [2] betroffen als deutsche Arbeitnehmer, mit deutlichen regionalen Unterschieden. Im Jahr 2000 waren 436.000 Ausländer arbeitslos [3] , das bedeutet, dass bei einer allgemeinen Arbeitslosenquote von 7,8 % die Ausländer mit 16,4 % deutlich überrepräsentiert waren. Wiederum ist die häufig geringe berufliche Qualifikation eine wichtige Ursache für diese Form der Ausgrenzung. Auffällig ist dabei, dass die nationale Herkunft eine wichtige Rolle spielt: Während im Jahr 2000 mehr als 20 % aller Türken in Westdeutschland arbeitslos waren, betrug dieser Prozentsatz z. B. für Spanier, Portugiesen oder Arbeitnehmer aus dem ehemaligen Jugoslawien nur 10-11 %.
Arbeitslosenquote der Ausländer
Quelle: www.isoplan.de/mi/grafiken/grafiken.htm
Zu den Problemen auf dem Arbeitsmarkt kommen vielfach prekäre Wohnbedingungen, die eine Integration erschweren. Vielfach bevorzugen Ausländer, wenn sie nur eine begrenzte Aufenthaltsdauer in Deutschland planen, billigen Wohnraum. Sie wohnen in Altbaugebieten, z.T. als Restmieter in abbruchreifen Häusern, und ihre Wohnungen sind oft schlecht ausgestattet. Gerade in Großstädten konzentriert sich die ausländische Bevölkerung oft in industrienahen, umweltbelasteten Wohnvierteln. Solche Stadtteile werden dann gelegentlich "Klein-Palermo" oder "Klein-Istanbul" genannt. Deutsche Wohnungssuchende meiden diese Viertel in vielen Fällen, so dass sich regelrechte Ghettos bilden. Durch die steigenden Ausländeranteile in diesen Wohngebieten wird eine Integration erheblich erschwert. Es besteht die Gefahr, dass sich an manchen Orten Parallelgesellschaften bilden, die sich zunehmend von der Mehrheitskultur abkehren. Andererseits ermöglicht das Wohnen in solchen Vierteln den Bewohnern ein vertrautes Miteinander mit den eigenen Landsleuten, so dass die Anonymität des Großstadtlebens und der Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen gemildert werden.
Der Brandanschlag von Solingen 1992, bei dem fünf ausländische Mitbürger verbrannten.
Quelle: www.schalomnet.de/fotoaus/holo/menu.htm
Ein weiterer Hinweis auf die Integrationsproblematik enthält die Kriminalstatistik [4] . Wurden 1984 noch 16,6 % aller Straftaten in Deutschland von Ausländern begangen, so hat sich die Zahl 1999 auf 25,5 % erhöht. Sowohl bei den Gewaltverbrechen als auch im Bereich der Eigentumsdelikte liegt dieser Anteil noch höher [5] . Sicher ist diese Entwicklung auch auf die soziale Ausgrenzung zahlreicher Ausländer in Beruf und Gesellschaft zurückzuführen. Sie ist auch ein Beleg für ihre häufig erkennbare kulturelle Entwurzelung und die im Alltag erfahrene Frustration und Diskriminierung.