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These 2

"Der Studentenprotest wird in die Arbeiterschaft vermittelt durch ein 'kritisches Ereignis'." (Bourdieu [1] )

Das "kritische Ereignis", das die Wahrnehmung sozial heterogener Gruppen synchronisiert, ist die Nacht der Barrikaden [2] (10./11. Mai), in der Studenten und Jugendliche, im Anschluß an eine friedliche Demonstration, eine Enklave innerhalb des Quartier Latin besetzen. Spontan und spielerisch beginnen sie innerhalb des besetzten Gebietes, Barrikaden zu bauen, entschlossen, das durch sie abgeriegelte Gebiet erst zu verlassen, wenn die Regierung ihre Forderungen erfüllt hat. Diese beziehen sich auf die Freilassung von im Verlauf einer Demonstration gefangen genommenen und inhaftierten Studenten, auf die Wiedereröffnung der Sorbonne, die der Rektor schließen und von Polizeikräften bewachen ließ und auf den Abzug der Polizei aus dem Quartier Latin.

Abbildung 5:

Die Nacht der Barrikaden im Quartier Latin (10. auf 11. Mai 1968)

 

 

 

Internet-Quelle (http://www.lgu.ac.uk/)

Die Barrikaden von Paris in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai sind ein historisches Zitat. Errichtet von Schülern und Studenten in Kenntnis der Bedeutung der Barrikaden in den Tagen der Kommune (1871) und der Befreiung der Stadt von der deutschen Besatzung (1944), beschwören sie Erinnerungen an Vorbilder [3] herauf, ohne deren Abbilder [4] zu sein. Sie haben keinen instrumentellen, sondern expressiven Charakter. Erst im Verlauf dieser provokativen Aktion und des ihr folgenden Polizeieinsatzes werden die Proteste der Studenten politisiert durch das Echo der Medien, die Reaktion der Öffentlichkeit, die Maßnahmen der Regierung und der Gewerkschaften.

Der Aktionismus der Studenten zieht die Massenmedien an. Durch die Vermittlung zweier Radioübertragungswagen, die unmittelbar nach Errichtung der ersten Barrikaden in das besetzte Gebiet gefahren sind, wächst die Außenwirkung der Bewegung. Sie sprengt nicht nur die Grenzen des Quartier Latin, sondern wirkt weit über die Hauptstadt hinaus. Durch die Medienberichterstattung wird eine Öffentlichkeit konstituiert, die aufmerksam registriert, was passiert und sich ein Meinungsbild macht. Der Studentenprotest springt von Paris auf die Provinz über.

Die Regierung gerät unter einen Erwartungsdruck und Zugzwang, wobei ihr Legitimitätsverlust droht; gleichviel, ob sie nachgiebig reagiert oder repressiv. Unter Handlungsdruck gestellt, fehlt es ihr an einer überzeugenden Handlungskonzeption und Entscheidungsfähigkeit. In Abwesenheit des Premierministers haben die zuständigen Ressortminister Schwierigkeiten, sich zu koordinieren. Nach langem Zögern läßt der Innenminister die Barrikaden durch Polizei- und CRS [5] -Truppen in den frühen Morgenstunden des 11. Mai räumen. Die Brutalität des Polizeieinsatzes (eine "Schlacht ohne Gnade" wie "Der Spiegel" schreibt) ruft noch in der Nacht vehemente öffentliche Proteste hervor.

Abbildung 6:

"La Police attaque l'Université"

 

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle
[6]

Das "kritische Ereignis" Barrikadennacht durchbricht den Alltag und die normale Ordnung der Dinge, synchronisiert die Wahrnehmung sozial heterogener Gruppen, macht die Zeit zur öffentlichen Zeit, identisch für alle, gemessen an denselben Bezugspunkten. Es führt die Solidarisierung der französischen Gewerkschaften mit der Studentenbewegung und ihren Forderungen herbei - nicht nur in Worten, sondern Taten. Die Gewerkschaften rufen landesweit zum 24-stündigen Generalstreik und zu Protestkundgebungen auf, um gegen die Repression zu protestieren und den Forderungen der Studenten Nachdruck zu verleihen. Um mehr geht es zunächst nicht.