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Bismarck schlug Wilhelm I. am 14. Dezember 1870 drastische Maßnahmen vor, um den Frieden zu erzwingen

"[...] An der Stelle, welche die Gnade Eurer Königlichen Majestät mir angewiesen hat, ist es an sich meine Pflicht, alles dasjenige zu erwägen, was sich auf das Ziel des Krieges, den Frieden bezieht. Je schneller dieses Ziel erreicht wird, um so sicherer und leichter wird es gelingen, auch von den Friedensverhandlungen jede fremde Einmischung und Einwirkung fern zu halten. Was dazu auf dem diplomatischen Wege geschehen kann, ist in Ausführung der allerhöchsten Befehle angeordnet und getan. [...]

Als das hauptsächliche Mittel, den Frieden herbeizuführen und den Feind zu nötigen, denselben zu suchen, ist - außer der Vernichtung der feindlichen Armeen - der Druck anzusehen, welcher auf das Land und das Volk durch die Leiden des Krieges ausgeübt wird. Die Erfahrung aller Zeiten hat gezeigt, dass nicht allein die Niederlagen der Armeen, nicht der Erfolg der glänzenden strategischen Operationen, sondern auch das Gefühl des unerträglich werdenden Druckes, der überall empfundenen Leiden, die Erschöpfung der Kraft eine verständige Regierung dazu bringt, den Frieden zu suchen oder, wenn diese so leidenschaftlich und rücksichtslos wie die jetzige französische ist, zuletzt das Volk im Lande nötigt, den Frieden mit so dringender Energie zu begehren, dass die Regierung dadurch gedrängt wird, den Frieden auf die Bedingungen anzunehmen, die ihr gemacht werden. In allen völkerrechtlichen Anschauungen gilt daher auch der dem Feinde zugefügte Schaden als eines der wesentlichen Mittel, das Kriegsziel zu erreichen.

Ich halte es für meine Pflicht, Eure Königliche Majestät ehrfurchtsvollst darauf aufmerksam zu machen, dass die völkerrechtlichen Grundsätze die Anwendung dieses Mittels in weit ausgedehnterem Maße rechtfertigen würden, als sie bisher in diesem Kriege stattgefunden hat. Neben dem Übergang zu einem aktiven Angriff auf Paris durch Beschießung des Forts, von welchem, wie Eurer Königlichen Majestät ich bereits die Ehre gehabt habe, alleruntertänigst darzulegen, ich auch in politischer Hinsicht eine entscheidende Wirkung erwarte, würde eine größere Strenge und Härte der Behandlung der von den Truppen Eurer Majestät durchzogenen und besetzten Landesteile wesentlich dazu beitragen, den endlichen Schluss des Krieges herbeizuführen. Die natürliche, in den Grenzen zwischen Edelmut und Schwäche sich bewegende Gutmütigkeit des deutschen Charakters, welche sich auf allen Stufen der Gesellschaft und folglich auch der Armee bemerklich macht, hat bewirkt, dass bisher selbst in den vom Kriege unmittelbar berührten Provinzen von Frankreich die Leiden des Krieges weniger empfunden worden sind, als dies sonst in einem von so großem Kriege heimgesuchten Lande der Fall zu sein pflegt.

In einem Kriege, der wie der jetzige für die Franzosen durch die gewissenlosesten Mittel künstlich zu einem Volkskrieg gemacht wird, erscheint es doppelt geboten, die volle Strenge des Kriegsrechtes zu handhaben. In erster Linie scheint mir dazu erforderlich eine harte und unerbittliche Ahndung jeder Verräterei, die gegen die Truppen Eurer Majestät geübt wird. Bei allen Überfällen, welche sich in der letzten Zeit auf traurige Weise gemehrt haben, ist immer wenigstens ein Teil der Einwohner des Ortes mitschuldig; diese lassen sich nicht aussondern, und die Gemeinde muss solidarisch dafür haften, weil hierin das einzige Mittel liegt, das Leben unserer Truppen gegen Wiederkehr solcher Überfälle einigermaßen zu schützen. Die Mehrzahl der Bevölkerung ist ohne Zweifel gegen Fortsetzung des Krieges und für den Frieden. Aber sie wird durch die Furcht vor dem Terrorismus der fanatischen Partei immer wieder in den Krieg getrieben; und dies wird nicht eher aufhören, als bis die Furcht vor der Strafe, welche die deutschen Heere über sie verhängen, und die Furcht vor den vermehrten Leiden des Krieges stärker wird als die Furcht vor den Terroristen im eigenen Lande. Erst wenn die Strenge ihre Wirkung getan, kann die Milde an ihrem Platz sein und wird dann erst gewürdigt werden. [...]

Außer dieser unmittelbaren und augenblicklichen Bestrafung jedes faktischen Frevels dürfte sich noch eine Reihe von Maßregeln empfehlen, welche geeignet sind, die Bevölkerung die Last des Krieges fühlen und den Frieden herbeiwünschen zu lassen.

Ich muss es dahingestellt sein lassen, ob es im Interesse einer jeden Augenblick gesicherten Verpflegung der Armee möglich ist, an Stelle der Verproviantierung durch Ankauf oder wenigstens zur Aushilfe bei derselben zu einem ausgedehnteren System von Requisitionen zurückzukehren. Ich weiß, dass dabei das Interesse der Armee allein maßgebend sein darf; wünschenswert aber ist es gewiss, dass die Bevölkerung es empfinde, dass das Heer auf ihre Kosten leben muss.

Zu den wirksamen Maßregeln rechne ich aber jedenfalls eine ausgiebigere Beschlagnahme von beweglichem Eigentum, ohne sich, wie bisher meist geschehen, auf das eigentliche Staatseigentum zu beschränken und das Kommunaleigentum unangetastet zu lassen. Auch das bare Vermögen von Aktiengesellschaften, Instituten aller Art, besonders aber von Bank- und anderen Geldinstituten, Sparkassen, Depositenkassen und dergleichen muss meines alleruntertänigsten Dafürhaltens gegen Bons in Requisition genommen werden, wobei vorbehalten bleiben kann, dasselbe in Frieden auf die Kriegsentschädigung anzurechnen.

In solcher Beschlagnahme sowie Wegführung von Geiseln würden zugleich berechtigte Repressalien für die Wegnahme deutscher Handelsschiffe und die Gefangenhaltung ihrer Mannschaft liegen. Auch die Wegführung von Geiseln als Bürgschaft für Kontributionen und für das Wohlverhalten verdächtiger Gemeinden scheint mir von den militärischen Befehlshabern nicht so oft zur Anwendung gebracht zu werden, als es wünschenswert ist. [...]

Unmittelbar auf die französischen Armeen selbst einwirken und einen heilsamen Schrecken verbreiten würde es, wenn es möglich wäre, die Truppen Eurer Majestät daran zu gewöhnen, dass weniger Gefangene gemacht und mehr die Vernichtung des Feindes auf dem Schlachtfelde ins Auge gefasst würde. Die Zahl der Gefangenen ist bereits so ins Ungeheure gewachsen, dass die Verwaltungsbehörden nicht mehr wissen wie sie dieselben unterbringen sollen. Mit jedem neuen Kampfe kommen neue Scharen von Gefangenen. Abgesehen davon, dass schon die zu ihrer Bewachung erforderliche Zahl von Mannschaften die Stärke des deutschen Korps vermindert, verliert der Kampf selbst für den Gegner dadurch viel von seinem Abschreckenden. Vielfache Beispiele haben gezeigt, dass in der französischen Armee eine Menge Bestandteile sind, für welche das Los der Gefangenschaft gar keine Schrecken hat; wenn diese wissen, dass sie leichter den Tod als die Gefangenschaft zu erwarten haben, so werden die Zuzüge sich vermindern.

Es mag in einer solchen Behandlung sowie in manchen der von mir alleruntertänigst beantragten Maßregeln eine scheinbare Härte gesehen werden; in Wirklichkeit ist es aber ein Akt der Menschlichkeit zunächst gegen die eigenen Truppen und Untertanen Eurer Majestät, welche zu schützen die erste Aufgabe ist, sodann aber auch in der Tat gegen die feindliche Nation selbst, welche nur durch solche Einwirkung dahin gebracht werden kann, den größeren Ruin von sich selbst abzuwenden, welchen die aussichtslose Fortsetzung des Krieges über sie bringt. Jedes Mittel, welches das Ende beschleunigen kann, ist eine Wohltat für beide kriegsführenden Teile. [...]"

(Otto von Bismarck, Gesammelte Werke, Bd. 6b, Berlin 1931, S. 633-637)

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