French
German
 
Seite zur Sammlung hinzufügen
'Der Krieg gegen die französische Republik'
 
1 Seite(n) in der Sammlung
 
 
 
 
 

Der Krieg gegen die französische Republik

Mit der Fortsetzung des Krieges veränderte sich die Art der Kampfhandlungen. Neben dem Bewegungskrieg zwischen den deutschen Truppen und den neu aufgestellten französischen Verbänden trat ein Belagerungskrieg um die eingeschlossenen französischen Festungen, z.B. Straßburg, Belfort, Mezière, Toul, Metz und ab dem 19. September Paris. Hier war die Zivilbevölkerung in größerem Umfange direkt von den Kampfhandlungen betroffen. Um die Belagerung schnell zu beenden, wurden die Städte beschossen, was erhebliche Schäden verursachte. Als Straßburg am 28. September kapitulierte, hatten 400 Zivilisten ihr Leben verloren, 1600 waren verletzt und 10000 obdachlos geworden.

Straßburg nach der Beschießung
(Archiv der Otto-von-Bismarck-Stiftung, Friedrichsruh)

Unmittelbar nach ihrem Sieg bei Sedan marschierten die deutschen Armeen in Richtung Paris. Mit Blick auf eine mögliche Belagerung schickte die Regierung der nationalen Verteidigung eine Delegation nach Tours, von wo aus der Kontakt mit dem Land einfacher aufrecht zu erhalten war als aus der belagerten Hauptstadt. Wirkliche Bedeutung erlangte die "Délégation de Tours" mit der Ankunft Léon Gambettas, der am 7. Oktober mit einem Heißluftballon aus dem eingeschlossenen Paris entkommen war. Seine energischen Bemühungen, neue Kräfte zu mobilisieren, vermittelten den Eindruck, dass Frankreich nach einer Reihe von Niederlagen nun wieder Tritt fassen würde (Dok. 8 [1] ). Als Marschall Bazaine Ende Oktober in Metz kapitulierte und mit 140000 Mann in Gefangenschaft ging, hatte Frankreich die letzten regulären Truppen verloren. Für Gambetta war das "Verrat" und die letzte Diskreditierung des Zweiten Kaiserreichs, die die Legitimität der Staatsumwälzung vom 4. September nur unterstreiche. In einem Aufruf an das französische Volk machte er die Republik zur Garantin des nationalen Widerstandes, die zu den letzten Opfern bereit sei (Dok. 9 [2] ). In der Tat gelang es mehrere neue Armeen aufzustellen, insgesamt etwa 480000 Mann. Dabei handelte es sich um neu ausgehobene und schnell ausgebildete Truppen und um Angehörige der Nationalgarde (Reservisten, die bereits eine kurze militärische Grundausbildung erhalten hatten). Auch auf deutscher Seite löste die Mobilisierung, die Gambetta vollbrachte, Bewunderung aus (Dok. 10 [3] ). Abgesehen von kurzfristigen Erfolgen, etwa der Rückeroberung von Orléans, konnten die Armeen der provisorischen Regierung aber keine durchschlagenden militärischen Siege erringen. Die französischen Truppen wurden im Norden bei Saint-Quentin und Péronne geschlagen, im Westen bei Le Mans. Pläne, von der Loire aus Paris zu entsetzen, scheiterten ebenso wie ein Vorstoß des General Bourbaki über Belfort nach Süddeutschland.

Die deutschen Offiziere lobten den Mut der unzulänglich ausgebildeten französischen Soldaten, betonten aber gleichzeitig deren Chancenlosigkeit gegenüber den erfahrenen deutschen Verbänden. Dass Frankreich unter solch ungleichen Bedingungen den Kampf überhaupt fortsetzte, war für die deutschen Militärs ein Beleg für die Verantwortungslosigkeit der republikanischen Regierung (Dok. 11 [4] ). Diese Sichtweise verkennt allerdings die Bedeutung, die Gambetta für den nationalen Zusammenhalt nach dem Zusammenbruch des Zweiten Kaiserreichs hatte. Noch heute gibt es in fast jeder französischen Stadt eine Straße oder einen Platz, die Gambettas Namen tragen. Die Illusionen, denen sich Gambetta und seine republikanischen Mitstreiter hingaben, lassen sich leicht mit dem Mythos der französischen Revolution erklären: Sie waren überzeugt von der Überlegenheit des Citoyen, der wie 1792 mit der Waffe in der Hand sein Land gegen die Invasoren verteidigte.

Neben der schnellen Aufstellung neuer Einheiten zeigte der Volkskrieg in Form der Franctireurs noch eine weitere neue Qualität. Es handelte sich um Freischärler, um Partisanen, die hinter den Linien die deutschen Truppen angriffen. Die deutsche Führung drohte der Zivilbevölkerung, die die Franctireurs unterstützte, mit drakonischen kollektiven Strafen (Dok. 12 [5] ) und wendete sie gegebenenfalls auch an, wie z.B. am 18. Oktober in Châteaudun.

"Überfall einer Feldpost durch Franctireurs"
Quelle: Der große Krieg 1870-71 in Zeitberichten. Neu herausgegeben und bearbeitet von Joseph Kürschner, Berlin, o.J.

Um für Unterstützung im Kampf gegen Preußen zu werben, unternahm Adolphe Thiers [6] eine Rundreise durch die europäischen Hauptstädte. Aber überall wurde Hilfe für Frankreich abgelehnt.