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'Vom Einfluß der Stereotypen'
 
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Vom Einfluß der Stereotypen

In den deutschen und französischen Quellen der Zwischenkriegszeit findet man eine große Anzahl stereotyper Vorstellungen über das Nachbarland. Manchmal sind diese positiv eingefärbt, viel häufiger sind aber abwertende Untertöne: man macht sich lustig oder klagt offen an. Die nationalen Stereotypen werden vor allem durch die Charakterskizzen der Völker, die die Erdkundeschulbücher dieser Zeit enthalten, weitergetragen (Quelle 10 [1] ).

Trotz all seines guten Willens, eine kritische Einstellung zu bewahren, die den verschiedenen Standpunkten Rechnung trägt, erwähnt selbst Jules Isaac die deutsche Neigung zu Ordnung und Disziplin, sowie ein " nationales Temperament ", das Treue und Gehorsam liebt, Chaos aber verabscheut. Diese Stereotypen, die speziell mit Preußen verbunden werden, haben ihren Ursprung im Bild Friedrichs II. von Preußen, dem sich die französischen Schulbuchautoren ausführlichst widmen. Sie äußern sich weitgehend bewundernd über den Preußenkönig (Quelle 11 [2] ).

Hingegen prangern die französischen Schulbuchautoren den expansiven und militaristischen Pangermanismus, der als Bedrohung für Frankreich empfunden wird, bedenkenlos an. Der "Boche" gilt laut einem weitverbreiteten Klischee als schwerfällig, grob und herrschsüchtig ohne jeden Feinsinn. Dieses natürlich negativ besetzte Stereotyp wird vom Canard enchaîné der Zwischenkriegszeit bereitwillig aufgegriffen. Es ist in diesem Zusammenhang aber sehr aufschlußreich, dass die französische pazifistische Satirezeitung das Klischee des "Boche" eher als rhetorische Waffe gegen die französischen Nationalisten benutzt, die nach Ansicht des Canard enchaîné Deutschland gegenüber unnötig mißtrauisch sind (Quelle 12 [3] ).

Auf deutscher Seite tragen Der Simplicissimus sowie die Charakterskizzen der Völker in den Erdkundebüchern übereinstimmende Klischees über das Nachbarland weiter: Frankreich ist ein üppiges Land, Französinnen und Franzosen sind frivol, aber wenig dynamisch, wenn nicht gar dekadent, und dies ausdrücklich wegen der Rassenmischung mit den Einwanderern. Das Argument des rassischen Niedergangs der Franzosen aufgrund ihrer Mischung mit Schwarzen existiert in Presse und Schulbüchern nicht erst seit 1933, sondern ab Anfang der zwanziger Jahre (Quelle 3 [4] ). In den stereotypen Äußerungen der deutschen Autoren der Zwischenkriegszeit über Frankreich sind positive Untertöne dagegen äußerst selten (Quelle 13 [5] ).

Unserer Tage mögen diese Aussagen vielleicht völlig überholt erscheinen und nur noch Unterhaltungswert besitzen. Aber vergessen wir nicht, dass Klischees tiefsitzend und langlebig sind, dass jede und jeder von uns, zumeist völlig unabsichtlich, täglich auf sie zurückgreift, weil vorgefertigte Ideen einfach praktisch sind: sie bieten unserem Denken simple Lösungen an und sparen so Zeit. Sobald sich allerdings mit diesen Vorurteilen eine Botschaft von Feindschaft und Haß koppelt, ist es unbedingt angebracht, sich nach ihrer Berechtigung zu fragen, damit aus Klischees nicht reale Konfliktursachen werden.