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'Romantische Liebe'
 
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Romantische Liebe

Dass die Eheleute sich lieben sollen, ist ein altes christliches Postulat. Allerdings sah man es bis 1750 nicht als notwendig an, dass die Ehepartner schon vor der Heirat Gefühle fürein-ander hegten. Die Liebe sollte vielmehr nach der Eheschließung die Beziehung der Eheleute bestimmen. Mit Liebe war in diesem Zusammenhang nicht vornehmlich eine starke emotio-nale Verbindung der Partner, sondern die getreuliche Erfüllung der häuslichen Pflichten gemeint. Erotik spielte in den älteren Vorstellungen von ehelicher Liebe gar keine Rolle. Sexualität war eben eine Sünde, die, wenn überhaupt, dann in der Ehe und zum Zweck der Fortpflanzung tolerierbar war. Wenn Erotik, z.B. in der Literatur, thematisiert wurde, dann ausschließlich im Bezug auf außereheliche Beziehungen. Die Kirche hatte dazu natürlich eine klare Meinung.

Abbildung 7:

links:
Heyrath aus Zuneigung,
rechts:
Heyrath aus Eygennutz

 

Quelle: Béatrice Gottlieb, The familiy in the Western World from the Black Death to the Industrial Age, New York/Oxford 1993, S. 94

Das 18. Jahrhundert ändert diese Einstellungen grundsätzlich. Auch die rationale Aufklärung hatte ihre sinnliche Seite, und so wurde die alte Auffassung der Liebe allmählich abgelöst. Schon im Ehebuch des englischen Robinson Crusoe-Autors Daniel Defoe [1] , das in Deutschland populär wurde, spiegelte sich ein Umschwung: "Ich sage, dass die Ehe nicht vor rechtmäßig halten kann, wo nicht eine herzliche, unverfälschte und befestigte Liebe stattgefunden, ehe die Heirat vollzogen worden." (Conjugal Lewdness, or, Matrimonial Whoredom 1727.)

Abbildung 8:

Friedrich Schlegel (1772-1892)

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle

Abbildung 9:

Dorothea Veit

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle

Die höchste Steigerung erfuhr diese Emotionalisierung der Ehe in der deutschen Hochromantik. Die romantischen Autoren, allen voran Friedrich Schlegel [2] , propagierten eine außerordentlich radikale Ehekonzeption. Die vollständige Verschmelzung und Hingabe der Partner aneinander war nicht nur die Voraussetzung für die Ehe, sondern war Schlegel gar wichtiger als die rechtliche, wirtschaftliche und lebenspraktische Seite derselben. Besonders eindrucksvoll legt Schlegel seine Vorstellung der Liebe in seinem Roman Lucinde dar, der in einer online-Edition [3] zugänglich ist; zur Lektüre empfohlen sei das Fragment "Dithyrambische Phantasie über die schönste Situation [4] ", das literarische Vorbild für viele Liebesbriefe der Zeit. Reale Grundlage von Schlegels Ehekonzept war seine wilde Ehe mit Dorothea Veit [5] .

Abbildung 10:

Titelblatt von Friedrich Schlegels Roman Lucinde

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Reclam jun. Stuttgart Nr. 320

Die starke Emotionalisierung der Ehe hatte gewisse Nebenwirkungen: Der Vertragsgedanke geriet dabei ins Hintertreffen. Mit der Betonung der Verschmelzung war damit gleichsam ein Gegenargument gegen die starken Verrechtlichungstendenzen der Ehe gegeben. Dies ist ein Hinweis darauf, dass "Fortschritt" in einer Beziehung durchaus "Rückschritt" in einer anderen sein kann. Darüber hinaus kühlte sich, als Schlegels Wirkung nachließ, die Gluthitze der romantischen Liebe merklich ab. Mehr als Verschmelzung und Einswerdung wurde im 19. Jahrhundert das sittliche Element der Beziehung zwischen Mann und Frau betont. Dies wird besonders deutlich in Georg Wilhelm Friedrich Hegels [6] Grundlinien der Philosophie des Rechts [7] .