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'Gleichheit von Mann und Frau'
 
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Gleichheit von Mann und Frau

Die Debatten über die Ehe - insbesondere die über den Vertragscharakter der Ehe und über die Liebe - berührten auch die Frage nach Unterschieden und Gleichheit, vor allem aber nach der Hierarchie von Mann und Frau. Im Zeitalter weitgehender Gleichheitsforderungen war dies eine wichtige Frage, die nicht nur die Ehe, sondern auch die politischen Rechte der Frau berührte. Private und öffentliche Rechte der Frau waren eng miteinander verknüpft, denn nach der traditionellen Vorstellung, war die Ehefrau nicht nur der Autorität ihres Mannes unterworfen, sondern wurde durch ihn auch in öffentlichen Dingen - z.B. vor Gericht, in geschäftlichen Fragen und in der Politik - vertreten.

Abbildung 11:

Frontispiz zu Jean-Jacques Rousseau, Emile ou de l'éducation. Den Haag, Amsterdam 1762

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [1]

Im Umfeld der französischen Aufklärung wurde diese Frage am prominentesten von Jean-Jacques Rousseau [2] diskutiert. In seinem Erziehungsroman "Emile oder über die Erziehung" thematisiert er Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen Mann und Frau: "In allem, was nicht mit dem Geschlecht zusammenhängt, ist die Frau Mann. (...) Die Maschine ist auf gleiche Weise konstruiert (...) sie unterscheiden sich nur um eine Mehr oder Weniger voneinander." (dt. Ausgabe Reclam Stuttgart 1963, Nr. 901, S. 719) Aus den verschiedenen Rollen beim Geschlechtsakt, einem aktiven und starken und einem passiven und schwachen Part, leitet Rousseau die Geschlechterhierarchie ab. Er zeigt gleichwohl, dass auch die Frau, wegen ihrer Verführungskünste und ihrer Widerstandskräfte, Macht über den Mann hat. Insbesondere die ersten Seiten des fünften Buches des Emile "Über das Alter der Weisheit und der Heirat [3] " gehen auf dieses Thema ein. Dieses spannungsreiche Geschlechterverhältnis mit "offiziellen" und "inoffiziellen" Machthabern sieht Rousseau auch als Grundlage einer inni-gen, das heißt auf dem Spiel der beiden Sorten von Macht beruhenden Beziehung.

Abbildung 12:

Déclaration des droits de l´homme et du citoyen

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle

Mit der Französischen Revolution ab 1789 erhielt die Debatte über die Unterschiede, Gleichheit und Hierarchien eine neue Dimension. Freiheit und Gleichheit waren Schlagworte des Revolutionsregimes, die sich in zentralen Texten wie der Menschen- und Bürgerrechtserklärung von 1789 niederschlugen. Deren Umsetzung macht jedoch deutlich, dass Frauen weder als Menschen noch als Bürger angesehen wurden. Viele der Grundrechte wurden ihnen in der neuen Ordnung vorenthalten. Darauf wies in besonders aufsehenerregender Weise die Schriftstellerin Olympe de Gouge [4] hin, die in einer Erklärung der Rechte der Frauen und Bürgerinnen [5] Freiheit und Gleichheit für Frauen forderte. Auch andere Revolutionäre forderten politische Rechte für Frauen; so der Mathematiker, Philosoph und Politiker Condorcet [6] in seiner Schrift "Sur l´admission des femmes au droit de cité [7] ".

Diese Meinungen fanden in der Revolutionszeit - obwohl sie mit einer nicht geringen politischen Mobilisierung von Frauen einherging - kaum Gehör. Erst 1940 sollten die französischen Frauen das Wahlrecht erhalten. Im Privatrecht gab es kleine Veränderungen, so in der Verfassung von 1791, welche die Ehe zu einem Zivilvertrag erklärte. Vor allem aber die Verabschiedung eines neuen Scheidungsrechts am 20. Sept. 1792, dem "Valmy des citoyen-nes".

 

Die französische Verfassung von 1791:

Titre II, Art. 7 - La loi ne considère le mariage que comme contrat civil. - Le Pouvoir législatif établira pour tous les habitants, sans distinction, le mode par lequel les naissances, mariages et décès seront constatés; et il désignera les officiers publics qui en recevront et conserveront les actes.

aus: Jacques Godechot, Les Constitutions de la France depuis 1789, Paris 1979, S. 38.

 

Deutschland hatte keine Revolution, aber durchaus Debatten über die Geschlechterhierarchie. Prominentester Fürsprecher der Frauen war der Königsberger Philosoph Theodor Gottfried Hippel [8] , der in seiner Schrift "Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber", die revolutionären Gedanken einer Olympe de Gouge oder eines Condorcet aufgriff. In einem scharfzüngigen Büchlein "Über die Ehe" [9] , plädiert er für die Befreiung der Ehe von Ungleichheit, Nutzdenken und überkommenen Beschränkungen. Auch der in anderem Zusammenhang schon erwähnte Friedrich Schlegel (siehe Kap. 3.2 [10] ), machte sich in Deutschland für Gleichheit der Geschlechter stark, ja behauptete gar, Frauen seien das stärkere, weil freiere und zur Zusammenführung der den Menschen kennzeichnenden Widersprüche geeignetere Geschlecht.

Abbildung 13:

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle

Abbildung 14:

Johann Gottlieb Fichte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle (http://www.newgenevacenter.org)

Daneben gab es aber auch - weitaus einflussreichere - Denker, die Wege fanden, die generelle Forderung nach Gleichheit mit der realen Ungleichheit der Geschlechter zu verbinden. In diesem Sinne hat sich vor allem der Königsberger Philosoph Immanuel Kant [11] geäußert. In seiner "Metaphysik der Sitten [12] " entwickelt er einen Gedankengang, der ihn von der Ehe als "Geschlechtsgemeinschaft" zur "natürlichen Überlegenheit des Mannes" führt. Noch einen Schritt weiter ging Johann Gottlieb Fichte [13] , der in seiner Schrift Grundlage des Naturrechts [14] die Unterwerfung der Frau unter den Mann aus moralischen Gründen herleitete. So brachte die Aufklärung der Zeit um 1800 zwar die Gleichheitsforderung auf den Tisch, sorgte jedoch durch komplizierte philosophische Konstruktionen dafür, dass diese auf das Verhältnis von Männern und Frauen keine allzu großen Auswirkungen hatte.