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'Der 3. Oktober 1990'
 
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Der 3. Oktober 1990

Und schon wendet sich der Blick der Weltöffentlichkeit fort von den Deutschen und deren am 3. Oktober 1990 vollzogener Wiedervereinigung, hin zum Aufmarsch der Truppen am Golf.

Am 3. Oktober schickten Franzosen in Paris lebenden Deutschen Blumen und Glückwünsche. Die gesamte politische Klasse Frankreichs begrüßte, trotz einiger Bedenken, wie sich der neue politische Riese wohl in Zukunft in der Weltpolitik verhalten werde, die wiedergefundene deutsche Einheit. Nur die Kommunisten klagten, das große Deutschland bedeute ein erdrücktes Frankreich. Die am 3. Oktober stattfindende routinemäßige Sitzung des Ministerrats eröffnete der französische Staatspräsident mit einem Gruß an diese neue große demokratische Nation, das sei heute zu feiern.

Tageszeitungen, die Sonderbeilagen über ihren nun größeren Nachbarn druckten, schlugen einen kritischeren Ton an. Die Geburt eines Riesen wurde da vermeldet, der stärker sei als Bismarck. Manche Intellektuelle, Publizisten und Schriftsteller verfielen wieder auf die alten Klischees, vielleicht weil sie meinten, die kämen bei ihrem Publikum besser an.

"Rückkehr von Bismarck" war der Titel eines gerade erschienenen, für Deutschland übrigens sehr positiven Buches. Doch der Titel war es, der, an das Alte erinnernd, Kunden locken sollte. Dasselbe galt für einen in jenen Wochen erschienenen Roman, "Rückkehr von Siegfried", dessen Handlung im Zweiten Weltkrieg beginnt.

Zu ihrer Angst vor Deutschland bekannte sich selbst die große alte Dame der französischen Literatur, Marguerite Duras: "Die ganze Welt hat Angst vor Deutschland", sagte sie zum 3. Oktober. "Ich will das nicht aus Höflichkeit oder Freundlichkeit verschweigen. Ich sage es aus voller Überzeugung. Würde ich Ihnen nur sagen, ich liebe das gegenwärtige Deutschland nicht, dann wäre es zuwenig. Denn auch ich habe Angst, immer noch Angst vor dem Deutschland von früher. Heute immer noch. Zwar ist der Krieg seit fünfundvierzig Jahren zu Ende, aber trotzdem habe ich noch Angst."

Und Pierre Bergé, gleichzeitig Chef der Pariser Opern und Leiter des Modeunternehmens Yves Saint Laurent, meinte zum gleichen Tag: "Der Krieg wird nicht mehr mit Waffen, sondern mit Geld geführt. Die Verlierer des letzten Krieges, Deutschland und Japan, führen einen neuen Krieg um eine neue Vorherrschaft, gegen die man nicht ankommt. Wir müssen das hinnehmen, aber es ist ein Krieg. Die Westdeutschen haben die Ostdeutschen gekauft und werden die anderen Länder des Ostens auch noch kaufen. In einigen Jahren werden wir in einem nach Osten verlagerten, von Deutschland beherrschten Europa leben. Das ist beunruhigend."

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