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Kriegstotengedenken in Deutschland und Frankreich
Kriegstotengedenken während des Krieges
Der Erste Weltkrieg hat wie kein anderer Krieg zuvor in das Leben sowohl der Soldaten an der Front als auch das der Zivilbevölkerung in der Heimat eingegriffen und das Lebensgefühl einer ganzen Generation beherrscht und von Grund auf verândert. Es gab in Deutschland und Frankreich kaum eine Familie, die nicht mindestens einen Toten zu beklagen hatte. Schon während des Krieges, verstärkt aber nach dessen Beendigung, entstand allgemein das Bedürfnis, der Kriegstoten dauerhaft zu gedenken. Diesem Bedürfnis suchte man in Form von Kriegerdenkmälern symbolisch Ausdruck zu verleihen. Damit war die Absicht verbunden, ihrem gewaltsamen Tod im Krieg und dem Krieg selbst einen Sinn zu verleihen („... nicht umsonst gefallen..."). Fast in jeder deutschen und französischen Gemeinde wurde ein Kriegerdenkmal errichtet.
Noch während der Krieg im Gange war, konstituierten sich in vielen Gemeinden Deutschlands bereits lokale Ausschüsse, welche die Planung und Errichtung von Kriegerdenkmälern zum Ziel hatten. War es die „große Zeit", die man voller Stolz miterlebte, war es die bisher nicht gekannte Gewalt dieses Krieges oder war es die ständig steigende Zahl Gefallener, die diese Denkmalsplanungen beschleunigten? Schon im Dezember 1914 erschien in einer verbreiteten deutschen Tageszeitung („Tägliche Rundschau") ein Artikel, mit dem zur Pflege des Gefallenengedächtnisses - noch dazu in einer neuen, bisher nicht gekannten Form - aufgerufen wurde: „Jedem, der sein Leben ließ für Deutschlands Freiheit, für die Idee des Deutschtums ohne Unterschied von Rasse und Glauben, jedem solchen, der so zum Helden Deutschlands ward, pflanzt eine Eiche in unserer Heimat. ... Das wäre auch ein Denkmal des siegreichen Militarismus, wenn in Reih und Glied die Mal-Eichen stehen. Ein Sinnbild auch des Gemeinschaftsgefühls dieser hohen Zeit!" (1) Dieser Vorschlag, in jeder deutschen Gemeinde einen Heldenhain [1] anzulegen, fand in der Öffentlichkeit so lange beträchtlichen Zuspruch, wie die Zahl der Gefallenen noch gering war. Von amtlicher Seite gab es Bestrebungen, die Errichtung von Kriegerdenkmälern zu verhindern, solange der Krieg noch im Gange war. Als sich herausstellte, dass dies nicht möglich war, wurden in den meisten Staaten des Deutschen Reiches sogenannte Provinzialberatungsstellen für Kriegerehrungen eingerichtet. Diese sollten Einfluss auf die Gestaltung der Denkmäler nehmen und die schlimmsten geschmacklichen Entgleisungen verhindern.
Kriegstotengedenken nach Kriegsende
Die Denkmalserrichtungen nach dem Krieg führten in Deutschland vielfach zu heftigen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit. Dabei ging es nicht so sehr um künstlerische Fragen als vielmehr um politische. Vor allem die noch ganz unter dem Eindruck des Kriegsgeschehens geplanten Kriegerdenkmäler der ersten Nachkriegsjahre, die keine „Helden" verherrlichten, sondern trauernd der banalen Opfer des mörderischen Krieges gedachten, spalteten die Nation. Je größer der Abstand zum Kriegsende wurde, um so heroischer und revanchistischer fielen in Deutschland die Kriegerdenkmäler aus. Immer homogener wird ihr Erscheinungsbild: Christlich verbrämter dumpfer Heroismus und die Überzeugung, im Krieg nicht wirklich besiegt worden zu sein („...im Felde unbesiegt"), sind die häufigsten Aussagen der Kriegerdenkmäler vor allem in den Jahren ab 1924. Deren Formensprache ist bildhafter Ausdruck der uneingestandenen Niederlage. Diese Gesinnung fand ihren Ausdruck auch in zahllosen Gedichten [2] , die in der Nachkriegszeit erschienen, und in Kriegsromanen der Weimarer Republik. Viele Krieger- und Regimentsvereine nutzten die Kriegerdenkmalserrichtungen und die Feiern aus Anlass der Denkmalseinweihung als politischen Bekenntnisakt. Hier bot sich ihnen die Möglichkeit, öffentlich die Weiterexistenz ihres aggressiven Denkens gegenüber den ehemaligen Feindstaaten und ihres unveränderten Feindbildes zu demonstrieren. Ein offenes politisches Bekenntnis für die demokratisch verfasste Gesellschaftsform der Weimarer Republik etwa in den sinnstiftenden Reden bei den Einweihungsfeierlichkeiten der Kriegerdenkmäler sind (wenn überhaupt) nur höchst selten anzutreffen. Hingegen wird die Sinnhaftigkeit des vergangenen Krieges immer wieder lautstark beschworen, während diejenigen wenigen Menschen, die dies in Frage stellten, sich am Opfer der Gefallenen „versündigten". Dabei war es für jene Architekten, Bildhauer usw., die Kriegerdenkmäler schufen, eine schwierige Aufgabe, dem Denken, man habe zwar den Krieg verloren, fühle sich aber nicht wirklich als besiegt, sondern sei zu einem neuen Waffengang bereit, sinnhaften Ausdruck zu verleihen. Der nackte, das heißt reine Krieger, der häufig im Zentrum eines Kriegerdenkmals anzutreffen ist, war nicht wirklich besiegt, sondern nur scheinbar tödlich verwundet; schon war er im Begriff, sich wieder zu erheben, zum Kampf bereit, wie das Schwert in seiner Hand, das ihm nicht wirklich entfallen war, deutlich anzeigt. Wurden Tote überhaupt dargestellt, so schien es, als seien sie nicht wirklich tödlich verwundet. Oft lagen sie in voller Kampfmontur mit ihren Waffen da, wie schlafend, und auf einen Weckruf bereit, sich zu erheben und in den Kampf zu ziehen.
Die politische Funktionalisierung und Instrumentalisierung des Gefallenentodes durch Denkmal, Einweihungsfeier und Denkmalsnutzung wurden in dem Maße stärker, wie die Trauer der Hinterbliebenen mit wachsendem zeitlichen Abstand zum Krieg abklang oder eine pietätvolle Rücksichtnahme auf die Betroffenheit dieser Personengruppe nicht mehr notwendig erschien. Man gedachte nun des „Opfers" der Gefallenen in der Absicht, die „zukünftigen Geschlechter" auf bestimmte Werthaltungen und kämpferische Charaktereigenschaften, die den Gefallenen vorgeblich zu eigen gewesen seien, einzuschwören. Der „Opfertod der Gefallenen" behalte nur dann seinen Sinn, wenn das deutsche Volk den Gefallenen im Geiste der Opferbereitschaft und im Geiste der Frontkameradschaft nachzufolgen bereit sei. Nur dann seien jene „nicht umsonst gefallen". In dieser Vorstellung verband sich das christliche Motiv der Auferstehung der Toten mit dem Gedanken der Revanche in der Nachfolge der Gefallenen.
In Frankreich [3] war die symbolische Sinnstiftung des Gefallenentodes in Form von Kriegerdenkmälern insofern leichter, als der Sieg im Krieg gegen den Feind aus dem Osten, die erfolgreiche Verteidigung des nationalen Territoriums, die Wiedergewinnung der nach 1870/71 verloren gegangenen Provinzen Elsass und Lothringen, also die erfolgreiche „Revanche", das „Opfer" der Gefallenen als „sinnvoll" erscheinen ließ. Dennoch entstanden in Frankreich nach 1918 nicht ausschließlich Siegesdenkmäer. Das Spektrum dessen, was mit dem Medium Denkmal zum Ausdruck gebracht werden sollte, war in Frankreich größer als in Deutschland. „Antimilitaristische und pazifistische Denkmäler finden sich ebenso wie katholisch-nationalistische oder streng republikanische Ehrenmale. Auffallend ist insbesondere die große Anzahl der Trauerdenkmäler, die weniger die Erinnerung an das Opfer für die Nation wach halten, als vielmehr den Bürger in seiner eben bürgerlichen Qualität emphatisieren. Darüber hinaus erscheinen in der figürlichen Gestaltung der Kriegerdenkmäler relativ häufig Frauen und Kinder - ganz im Gegensatz zu den deutschen Denkmälern, die in der überwältigenden Mehrzahl den mänlich-soldatischen Kriegseinsatz thematisieren." (2)
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Anmerkungen
1) Willly Lange: Heldeneichen und Friedenslinden, in: Tägliche Rundschau v. 8. Dezember (Unterhaltungsbeilage); nachgedruckt in: Deutsche Heldenhaine, hrsg. im Auftrage der Arbeitsgemeinschaft für Deutschlands Heldenhaine von Willy Lange, Leipzig 1915, S. 79.
2) Michael Jeismann/Rolf Westheider: Bürger und Soldaten. Deutsche und französische Kriegerdenkmäler zum Ersten Weltkrieg, in: Geschichtswerkstatt, Heft 16/1988, S. 6-15 (Zitat S. 6).
Links:
- [1]Heldenhain
- [2]Gedichte
- [3]Gefallenentod