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'Der Kriegsbeginn in Deutschland und in Frankreich'
 
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Der Kriegsbeginn in Deutschland und in Frankreich

Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieg verbinden wir in Deutschland die Vorstellung von einer alle sozialen Klassen ergreifenden Begeisterung, ja, eines umfassenden nationalen Erweckungserlebnisses, dem sich angeblich selbst jene nicht entziehen konnten, die wie die Sozialdemokraten noch wenige Wochen zuvor pazifistische, völkerversöhnende Parolen hatten verlauten lassen und auf Konferenzen der internationalen Arbeiterbewegung solidarische Versicherungen ausgetauscht hatten, die Waffen nicht gegen den Genossen im anderen Land erheben zu wollen.

In zahlreichen Büchern der Nachkriegszeit und in wissenschaftlichen Veröffentlichungen bis in unsere Tage wurde die Vorstellung verbreitet, dass eine zuvor nie gekannte Begeisterungswelle in allen kriegsbeteiligten Staaten Armee und Zivilbevölkerung ergriffen hätte und die Soldaten hier wie dort blumenbekränzt und fröhlich singend unter dem Jubel der Bevölkerung in den Krieg gezogen wären (Filmausschnitt [1] ).

Der "Geist von 1914" oder das "Augusterlebnis [2] " wurden in Deutschland noch während des Krieges immer wieder beschworen und der in ihrer Durchhaltebereitschaft erlahmenden Bevölkerung zur belebenden Erinnerung vor Augen geführt. 
Bei Kriegsbeginn bezeichnete der in einer Ansprache [3]   den Krieg als Verteidigungskrieg, was sicher die Kampfbereitschaft der deutschen Bevölkerung erhöht hat. Heute betrachtet man die Stimmung in der Bevölkerung unmittelbar vor und bei Kriegsbeginn etwas differenzierter. Deutlich unterscheidet man den Zeitraum von der Ermordung des österreichischen Thronfolgers bis zur Kriegserklärung, in dem in der Bevölkerung ganz überwiegend die Besorgnis vorherrschte, ein Krieg könne für das Deutsche Reich und für jeden einzelnen Bürger unvorhergesehene negative Konsequenzen mit sich bringen, von der Zeit ab diesem Ereignis. 
Ganz abwegig wird die Vorstellung von einer allgemeinen Kriegsbegeisterung bei Kriegsbeginn, wenn man überprüft, wer sich kriegsbegeistert gerierte und wer nicht. Kriegsbegeistert waren vor allem bürgerlich-akademische Kreise. Gedichte [4] aus den ersten Kriegstagen, teilweise verfasst von den führenden Schriftstellern jener Zeit, dokumentieren diese Sicht. 

Aus deren Kreisen entstammten auch die meisten Kriegsfreiwilligen, wobei nicht ganz eindeutig ist, was den Ausschlag dafür gegeben hat, sich freiwillig "zur Fahne" zu melden: Waren es Patriotismus und die Überzeugung, "die heimatliche Scholle" vor den Angriffen des Feindes zu schützen, waren es Abenteuerlust oder Überdruss an der schon zu lange andauernden Friedenszeit, in der scheinbar nichts mehr passierte und in der sich bürgerliche Saturiertheit breit gemacht hätte, oder war es die Überzeugung, man müsse in und mit diesem Krieg Deutschland zu der ihm zustehenden Weltgeltung verhelfen? In ländlich-agrarischen Gegenden Deutschlands war hingegen kaum etwas von Kriegsbegeisterung zu spüren. Auch die sozialdemokratisch und gewerkschaftlich orientierte Arbeiterschaft hielt sich zunächst noch fern von allem chauvinistischen Enthusiasmus, und erst nachdem die Siegesmeldungen aus Belgien und Nordfrankreich eingetroffen und unter Hindenburgs Führung die russischen Truppen aus Ostpreußen zurückgeschlagen worden waren, erlagen auch zahlreiche Arbeiter der nationalen Begeisterung. Eine ähnliche Haltung lässt sich auch bei französischen Arbeitern und bei deren politischen Führern feststellen. 

"...für die Entwicklung des Volksganzen von höchster Bedeutung" - Der Erste Weltkrieg als Katharsis [5]
Aus: Georg Gellert (Hrsg.): Das Eiserne Buch. Die führenden Männer und Frauen zum Weltkrieg 1914/15, Hamburg 1915, SS. 19-21

Ein französischer Geistlicher, Mrg. Baudrillart, äußert sich zum Krieg
Les événements sont fort heureux, il y a quarante ans que je les attends.
La France se refait, et selon moi, elle ne pouvait pas se refaire autrement que par la guerre qui la purifie.
Aus: Le Petit Parisien vom 16. 8. 1914; zit. nach Serge Zeyons: Le roman-photo de la Grande Guerre, Paris 1976, S. 24