- Deutsch-französische Kulturbeziehungen
- Die deutsch-französischen Kulturbeziehungen seit 1945
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- Ein Ziel - mehrere Wege? Kultur als Dimension der europäischen Integration
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Mannschaft und Schützen
Einige Worte über das Zusammenspiel der Schauspieler in einem Stück. Abgesehen davon, dass es an allen deutschen Theatern Ensembles gibt, wohingegen diese aus den französischen Theatern, außer der Comédie Française, verschwunden sind, gibt es zwischen deutschen und französischen Schauspielern auf der Bühne den gleichen Unterschied wie zwischen deutschen und französischen Soldaten, entsprechend der jeweiligen kriegerischen Tradition, und deutschen und französischen Fußballern. Das Verhältnis zu Disziplin und Organisation (die Spiel- oder Kampfaufstellung) ist nicht die gleiche. Disziplin ist kein Wert an sich, in der Armee hilft sie einem, die Angst zu überwinden. Das Verhältnis zur Angst ist nicht das gleiche (Ich entnehme diese Überlegungen einem Werk von Ardant du Picq über antiken und modernen Kampf). Der deutsche Schauspieler-Fußballer wird sich in einem hierarchisierten Ganzen wohler fühlen, in dem die Verbindung der Einzelteile, die Prägnanz des Ganzen, sichtbarer ist. Er darf von seinen Mitspielern nicht zu weit entfernt, zu isoliert sein, er muss ihre Anwesenheit spüren. Der französische Schauspieler-Fußballer, weniger diszipliniert, wird sich wohler fühlen, wenn man ihm eine »Schützen«-Spielformation vorschlägt, denn er erträgt, für eine gewisse Zeit, eine von seinen Mitspielern entferntere Kampfposition besser. Die Gewichtung zwischen individuellem Spiel und Zusammenspiel ist unterschiedlich. Aber dieser Unterschied besitzt auch eine Kehrseite: Da der Franzose isolierter ist als sein deutscher Kollege, ist er auch weniger zur Ausdauer fähig. Er ist dazu verurteilt, schneller zu entscheiden. Patrice Chéreau funktioniert ein wenig wie Platini, Peter Stein wie Beckenbauer. Woran liegt das? Schwer zu sagen. An der Geschichte, gewiss. Aber vielleicht auch an den Unterschieden des politischen und religiösen Imaginären. Ich glaube, man muss Canetti ernst nehmen, wenn er den Wald als mythischen Ort des deutschen Imaginären und die Französische Revolution als mythischen Ort des französischen Imaginären behandelt.