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'Eine unterschiedliche historische Semantik'
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Eine unterschiedliche historische Semantik
Die verzerrte Wahrnehmung der deutschen Friedensbewegung ist freilich nicht so sehr ein lexikalisches Problem als vielmehr das einer historisch erzeugten Semantik. Deutsche und Franzosen sind zwar in weiten Teilen parties prenantes einer gemeinsamen Geschichte, aber sie haben sie unterschiedlich erlebt, deshalb erinnern, interpretieren, verdrängen und feiern sie sie auf verschiedene Weise. Die Folge ist ein voneinander abweichendes historisches Referenzsystem, das sich im Begriffsverständnis spiegelt. Mit "pacifisme" assoziieren vergangenheitskundige Franzosen das Stichwort "München [1] ", das retrospektiv zum Synonym wurde für das Zurückweichen der Demokratien vor dem Hitlerschen Expansionismus und sich im kollektiven französischen Gedächtnis mit der traumatischen Niederlage von 1940 verband. Seither wird der Pazifismus, der in Frankreich vor 1914 und in der Zwischenkriegszeit eine bedeutsame Rolle gespielt hatte, gleichgesetzt mit Defätismus und Kollaboration und ist entsprechend verpönt. (7)
Abbildung 7:
Das Münchner Abkommen (im Bild die Unterzeichnung durch Adolf Hitler) wird retrospektiv als Zurückweichen der Demokratien vor dem Hitlerschen Expansionismus gewertet.
Internet-Quelle [2]
Auf unterschiedliche Begriffsbesetzung führen Verantwortliche des Deutsch-französischen Jugendwerks [3] auch gewisse Verständigungsschwierigkeiten bei der Organisation des Jugendaustauschs zurück. Vokabeln wie "junge Erwachsene" oder "Jugendarbeit" haben im Französischen keine Entsprechung, weil Bildungssystem und Jugendarbeit anders ausgerichtet sind. In diesem Fall lässt sich durch interkulturelle Praxis gewiss einiges erreichen. In dem anderen ist das ungleich schwieriger, weil es um psychohistorische Prozesse und so Prekäres wie nationale Identität geht, um verdrängte Schuldgefühle und latente Ängste.
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Anmerkungen
(7) Es ist allerdings symptomatisch, dass Der Spiegel (1/2001, S. 124 f.) das Erscheinen einer kritischen Darstellung der Reise französischer Schriftsteller nach Nazideutschland 1941 , F. Dufay, Le voyage d´automme, Paris Plon 2000, zum Anlass nimmt, um einmal mehr seinen Spott über das anmaßende Selbstbild der Pariser Intellektuellen auszuschütten.