- Unterschiedliche Kulturen und Aspekte des Kulturtransfers
- Einleitung
- Medienlandschaft in Baden-Württemberg
- Theater und Museen in Baden-Württemberg: "Kultur in der Provinz"
- Das Bildungswesen in der Region Rhône-Alpes
- Medien in der Region Rhône-Alpes: nur von regionaler Bedeutung
- Theater und Museen in der Region Rhône-Alpes
- Literatur
- Medien: Industriepolitik für den Standort Frankreich
- Die überregionale Presse in Frankreich und Deutschland: eine Vergleichsstudie
- Vom schönen Traum zum Alptraum? Eine innovative Betrachtung der Online-Version von Tageszeitungen und Magazinen
- ARTE - Fernsehen im interkulturellen Dialog
- Die Rolle des Fernsehens im deutsch-französischen Vergleich
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Das Bildungswesen in Baden Württemberg
Ein dichtes Netz von Grund- und Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Hochschuleinrichtungen durchzieht das bevölkerungsreiche Bundesland. Seine typisch deutsche Struktur wird in den vergleichenden Schaubildern zum Schulwesen und zum Hochschulwesen verdeutlicht. Zunächst zum Schulwesen.
Die wichtigsten Unterschiede im Vergleich zu Frankreich gehen aus der Abbildung hervor: dreigegliedertes Schulwesen vs. relativ einheitliches collège, neun- bzw. demnächst achtjähriges Gymnasium vs. nur dreijähriges lycée, duales System von Berufsschule und Lehre vs. Vorherrschaft des rein schulischen lycée professionnel. Näheres hierzu s. Große/ Lüger 2000: 216-226.
Da das Schulwesen in Deutschland eine Sache der Bundesländer ist, kann auch Baden-Württemberg eine relativ eigenständige Schulpolitik betreiben. Wie alle christdemokratisch regierten alten Bundesländer bevorzugt Baden-Württemberg ein dreigegliedertes Schulsystem, das für die (bisher von der SPD favorisierten) Gesamtschulen nur wenig Platz lässt. Daher gibt es z.B. in der Stadt Freiburg (einschließlich unmittelbarer Umgebung: Merzhausen, Sölden usw.) 29 Grund- und Hauptschulen (darunter 20 reine Grundschulen), 6 Realschulen, 13 Gymnasien sowie 8 Berufsschulen mit Außenstellen und 10 Sonderschulen, aber nur eine einzige Gesamtschule.
Typisch für die konservativeren Bundesländer ist auch das Zentralabitur, das ebenso in Bayern existiert. (In Frankreich dagegen erfolgt das jährliche Zentralabitur sogar landesweit, was einen noch viel größeren Aufwand zugunsten der formellen Chancengleichheit der Schüler wie auch des Leistungsvergleichs der Bildungsanstalten voraussetzt.)
Offiziell als Angleichung an das zwölfjährige Schulsystem in den neuen Bundesländern wie auch den umgebenden Staaten (z.B. Frankreich) mit ihren jüngeren Absolventen dargestellt, in Wirklichkeit aber vor allem von der Sparpolitik angesichts der Schulden des Landes diktiert, soll das achtjährige Gymnasium [1] (G 8) nach den vier Grundschuljahren schon ab dem Schuljahr 2004/05 in ganz Baden-Württemberg die Regel werden. Bereits jetzt ist es in einigen Gymnasien bzw. einem ihrer Klassenzüge eingeführt worden. Dieses sog. "Turbo-Abi" oder auch "Kurzgymnasium" verlangt natürlich von den Schülern ein intensiveres Lernen bei der beabsichtigten gleichen Stoffmenge. Allerdings ist die Unterrichtssituation schon jetzt schwierig, denn die Zahl der großen Schulklassen mit über 27 bzw. 30 Schülern nimmt immer mehr zu. Die Hauptschulen verkommen zu "Restschulen" für lernschwache Schüler wie auch für zunehmend mehr Zuwandererkinder; alle Versuche des Landes, hier gegenzusteuern, konnten den Trend nicht umkehren. Die Tendenz geht schon lange zu den Realschulen und den Gymnasien. Dort steigen die Klassenstärken. Im Schuljahr 2001/02 lagen sie in den Realschulen bei durchschnittlich 27,4 Schülern (Vorjahr: 27,1), in den Gymnasialklassen fünf bis zehn bei 27,6 Schülern (Vorjahr: 27,3, Quelle: Badische Zeitung, 20.1.2003: 16). Das erschwert die individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen, zumal das Land sich - wie andere Bundesländer auch - angesichts seiner Schulden sehr zurückhaltend in der Bewilligung neuer Lehrerstellen zeigt. Ein Umdenken wird hier aber spätestens bei der Generalisierung des achtjährigen Gymnasiums unausweichlich.
Nicht nur das "Turbo-Abi", sondern auch die Ergebnisse der ersten Pisa-Studie haben für viele Diskussionen gesorgt. Das "Program(me) for International Student Assessment" (Pisa [2] ) dient als Studie zum internationalen Vergleich von Schülerleistungen.
In allen 47 Teilnehmerländern der OECD und an allen Schularten wird der Jahrgang der 15-jährigen in den Bereichen Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften, außerdem im Hinblick auf selbstreguliertes Lernen, Problemlösen und Informationstechnologien getestet. In der ersten Runde (2000), an der 32 Staaten teilnahmen, ergab sich ein deutlich schlechteres Abschneiden der deutschen Schüler u.a. gegenüber ihren französischen Altersgenossen. Bei der Lesekompetenz lagen sie auf Rang 21 (Frankreich: 14), bei den mathematischen Aufgaben auf Rang 20 (Frankreich: 10), in den Naturwissenschaften ebenfalls auf Rang 20 (Frankreich: 12). Nach den im März 2003 bekannt gewordenen Ergebnissen der Detailauswertung erzielten allerdings Baden-Württemberg und Bayern bessere Resultate im Regionenvergleich als z.B. die norddeutschen Länder; z.T. reichten sie sogar an die Werte Finnlands heran, das als einziges europäisches Land zu den Spitzenreitern gehörte (zusammen mit Japan, Südkorea und Neuseeland). Auch gelang im "Ländle" die Integration der Kinder von Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion und aus Polen besser als anderswo (Badische Zeitung, 7.3.2003: 4). Auf deutscher Seite wurden als Erklärungen für die auffallenden Leistungsunterschiede zu Frankreich u.a. die spätere Einschulung deutscher Kinder (meist erst mit sieben Jahren), die französische Ganztagsschule einschließlich ihrer gezielten Förderung der Schüler in benachteiligten Stadtvierteln, dazu auch das in Frankreich stärkere Gewicht auf dem Memorisieren (der "Büffelei") angeführt. "In Frankreich weiß man noch, dass man lernen muss, auch wenn der Spaßfaktor gering ist", äußerte z.B. J. Thomas zu diesem heftig umstrittenen Thema (in: Dokumente, März 2002: 76).
Nach den Auswertungen der zweiten und dritten Runde (2003 und 2006) der Pisa-Studie [3] wird man mehr über die Fähigkeiten, aber auch die Defizite der deutschen wie auch spezieller der baden-württembergischen Schüler erfahren. (Beispielaufgaben finden sich unter: http://www.ipn.uni-kiel.de/projekte/pisa [4] . Siehe auch http://www.mpib-berlin.mpg.de/pisa/index-pisa_sg3.htm [5] . Die CD-ROM "PISA 2000: Die Studie im Überblick", herausgegeben 2003 von digital tainment pool in Hamburg, kostet 9,99 Euro (ISBN 3-89956-148-1). Sie enthält genaue Erklärungen, 60 Originalfragen, einen Ausblick auf die Pisa-Studie 2003 sowie weitere Fragen aus den geprüften Bereichen, die innerhalb eines Zeitlimits beantwortet werden müssen.)
Für viele Diskussionen sorgten weiterhin einige neuere Entscheidungen der "Stuttgarter" Bildungspolitik, die hier nur kurz angedeutet werden können:
- Vom Schuljahr 2003/04 an beginnt der frühe Fremdsprachenunterricht in allen Grundschulen, und zwar von der ersten Klasse an. In den Grenzgebieten zu Frankreich (also von Weil bis Karlsruhe) wird Französisch, in allen anderen Zonen des Landes Englisch gelehrt. Mit dem Französischunterricht am Oberrhein entspricht Baden-Württemberg dem schon breiter ausgebauten Deutschunterricht im Elsass.
- Als Antwort auf die Ergebnisse der ersten Runde der Pisa-Studie hat Baden-Württemberg als erstes Bundesland die Lehrpläne für die einzelnen Schularten und deren Fächer grundlegend umgeschrieben. Weniger Faktenwissen und mehr Allgemeinbildung wie auch soziale Kompetenzen sollen den Schülern vermittelt werden (vgl. den Entwurf der Bildungspläne). - Diese Ziele gelten auch für die Reform der gymnasialen Oberstufe, die sog. "Reform der Oberstufenreform", welche schon Marianne Schultz-Hector, die Vorgängerin der derzeitigen Kultusministerin Annette Schavan, seit 1992 anvisiert hatte. Das Kurssystem mit der Unterscheidung zwischen Grund- und Leistungskursen wird aufgehoben und das Abitur auf eine breitere Grundlage gestellt, zu der u.a. Deutsch, Mathematik, eine Fremdsprache sowie zwei weitere Fächer gehören.
- Langfristig ist auch an die Erhöhung der Wochenarbeitszeit und möglicherweise sogar an die Erhöhung des Pensionsalters der beamteten Lehrer gedacht, und neu eingestellte Lehrer werden z.T. als Angestellte beschäftigt; sie können aber später Beamte werden. Als im April 2003 die Pflichtstundenzahl für Berufsschul- und Gymnasiallehrer um eine Stunde pro Woche erhöht wurde, rief dies einen Sturm der Entrüstung hervor. Aber diese vom Sparkurs des Landes diktierte Erhöhung dürfte erst der Anfang eines Maßnahmenpakets gewesen sein. Hinter manchen Entscheidungen des Kultusministeriums steckt bekanntlich der Druck des Finanzministeriums.
Hingewiesen sei an dieser Stelle noch auf das nützliche Informationsheft "Französische Fremdsprachenassistenten an deutschen Schulen" (9. Ausgabe 2003), das den jungen Französinnen und Franzosen u.a. Fragen zu ihrem Aufenthalt beantwortet und ihnen Anregungen für die Unterrichtsgestaltung gibt. Es enthält auch ein "Petit lexique de l'assistant", in dem grundlegende Begriffe des deutschen Schulalltags erläutert werden. Diese Broschüre des Carolus-Magnus-Kreises ist erhältlich beim Verlag third eye media, Industriestr. 2a, D-41352 Korschenbroich (ISBN 3-927575-69-0).
Die wichtigsten Unterschiede zwischen dem deutschen und dem französischen Hochschulwesen, die auch für den Vergleich zwischen Baden-Württemberg und Rhône-Alpes bedeutsam sind, gehen aus dem folgenden Schaubild hervor. Für die Einzelheiten sei auf Große/Lüger (2000: 226-244) und Kempf (1997: 377-389) verwiesen.
Die Hochschulen Baden-Württembergs unterstehen nicht dem Kultusministerium, sondern dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung. Dieses regiert über eine breit gefächerte Hochschullandschaft [6] , zu der z.Zt. zehn Universitäten (darunter die drei ältesten von Heidelberg, Freiburg und Tübingen), sechs Pädagogische Hochschulen, 38 Fachhochschulen (davon zehn nichtstaatliche) sowie diverse Kunst- und Musikhochschulen und sogar eine Filmakademie und ab Herbst 2003 eine Popmusik-Akademie (in Mannheim) gehören. Weitere Besonderheiten sind die noch immer selbständigen Pädagogischen Hochschulen (für Grund-, Haupt- und Realschullehrer/innen), die woanders in die Universitäten integriert wurden, und die acht Berufsakademien in den Bereichen Wirtschaft, Technik und Sozialwesen. Letztere haben einen besonders starken Praxisbezug dadurch, dass die Studierenden bereits während ihrer Ausbildung gleichzeitig einem Unternehmen angehören. Nur Sachsen und Berlin weisen ebenfalls Berufsakademien auf.
Um die z.T. extrem hohen Abbrecherquoten der Magister-Studiengänge zu bekämpfen und Deutschland in den Universitätsabschlüssen - jedoch nicht beim Staatsexamen - an die angelsächsische Welt anzugleichen, sollen nach einem Beschluss der Konferenz der Kultusminister der deutschen Bundesländer (KMK [7] ) vom Juni 2003 die Magister- und die Diplomstudiengänge bis spätestens 2010 ersetzt werden. Der Bachelor-Abschluß (BA) nach sechs Semestern und, gute Noten vorausgesetzt, der Master (MA) nach weiteren vier Semestern sollen an ihre Stelle treten. Baden-Württemberg möchte diese Straffung des Studiums besonders schnell erreichen. Manche Universitäten - so Konstanz und Karlsruhe - sind in der Umstellung vorangegangen, aber auch in den drei Traditionsuniversitäten des Landes entstehen gegenwärtig bereits neue BA-Studiengänge, die stärkere Regelungen als früher üblich aufweisen. Ob und wie der Arbeitsmarkt die neuen BA/MA-Abschlüsse akzeptiert, das wird die Zukunft zeigen.
Als rohstoffarmes und exportorientiertes Land investiert Baden-Württemberg mehr Geld in Wissenschaft und Forschung (3,7 % des deutschen Bruttoinlandsproduktes) als die meisten anderen Bundesländer (Durchschnitt: 2,3%). Europaweit ist das "Ländle" sogar die Forschungsregion Nr. 1. Allerdings trägt die Wirtschaft wesentlich mehr dazu bei als der Staat: "In Baden-Württemberg werden drei Viertel der gesamten Ausgaben für Forschung und Entwicklung von der Wirtschaft gezahlt. Den Rest teilen sich nach den Erkenntnissen der Statistiker die Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen - wie Max-Planck-Institute und Zentren der Fraunhofer-Gesellschaft" (Badische Zeitung, 11.9.2002: 27). Insgesamt arbeiten in all diesen Einrichtungen fast 100.000 Beschäftigte, davon nahezu 70.000 - so der Stand 1999 - in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Firmen. Im weltweiten Wettkampf der Regionen, in dem es vor allem um die Standortentscheidungen großer internationaler Firmen (und damit Arbeitgeber und Steuerzahler) geht, kann Baden-Württemberg natürlich dann, wenn es um niedrige Löhne geht, nicht mit den Ländern der Dritten Welt oder auch den Schwellenländern Osteuropas und Ostasiens mithalten. Aber es kann mit seinen Kapazitäten in Forschung und Technik werben, die für die High-Tech-Unternehmen immer wichtiger werden: Kapazitäten z.B. in den Bereichen Maschinenbau, Medizintechnik und Medikamentenforschung, Agrochemie, Forschung an alternativen Energien… Und es kann darauf verweisen, dass bereits große Firmen wie Daimler-Chrysler, Porsche, Bosch, IBM, SAP, Hewlett Packard, Burda oder Hugo Boss hier ihren Sitz haben.
Links:
- [1]http://de.wikipedia.org/wiki/Achtjähriges_Gymnasium
- [2]http://www.pisa.oecd.org/
- [3]http://www.ipn.uni-kiel.de/projekte/pisa/index.html
- [4]http://www.ipn.uni-kiel.de/projekte/pisa
- [5]http://www.mpib-berlin.mpg.de/pisa/index-pisa_sg3.htm
- [6]http://www.baden-wuerttemberg.de/de/Hochschulen/85780.html
- [7]http://www.kmk.org/