- Die Sicht des jeweils Anderen: das Eigene und das Fremde
- Der deutsch-französische Krieg 1870/71
- Einführung
- Juli 1914
- Das relative Scheitern der deutschen Offensive
- Der kontinentale Zwei-Fronten-Krieg
- Der Stellungskrieg im Westen
- Der siegreiche Bewegungskrieg im Osten
- Der politische und militärische Zusammenbruch im Herbst 1918
- Die letzten Hoffnungen Ludendorffs
- Der Versuch Max von Baden
- Die Novemberrevolution 1918
- Der Versailler Vertrag: Ein Diktat ?
- Die Klauseln des Versailler Vertrags
- Die Anwendung des Vertrags
- Fazit
- Der Erste Weltkrieg im kollektiven Gedächtnis der Deutschen und der Franzosen
- Der Friedensvertrag von Versailles. Eine Bilanz
- Frankreich und Deutschland im Zweitem Weltkrieg
- Französische Zwangsarbeiter in Deutschland 1940-45
- 1945 - 1963: Deutsche und Franzosen - Von der "Erbfeindschaft" zur Partnerschaft
- Deutsch-französische Beziehungen 1945-2000
- Vierzig Jahre Beziehungen zwischen Frankreich und der DDR
- Vive la République! Marianne als deutsch-demokratischer Mythos im Satiremagazin Eulenspiegel
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Die Ausdehnung des Konflikts
Den ursprünglich Kriegsbeteiligten schließen sich neue Parteien an: die Türkei (auf Seiten Deutschlands), Italien (auf Seiten der Entente) und Bulgarien (auf Seiten Deutschlands). Diese Ausdehnung führt zwangsläufig zu neuen Belastungen. Die schwerwiegendste steht noch aus: Die Hochseeflotte, auf die Wilhelm II. und Tirpitz [1] so stolz waren, wird in den Häfen blockiert. Die unerbittliche Seeblockade hat spürbare Auswirkungen auf die Industrie, die Kriegsproduktion, die Lebensmittelversorgung der Zivilbevölkerung. Die Versuchung ist groß, durch den Beginn eines U-Boot-Kriegs, die Umklammerung zu sprengen. Durch die Entscheidung, neutrale und zivile Schiffe blindlings anzugreifen, lassen die deutschen Führer den Krieg zum totalen Krieg eskalieren und begehen einen moralischen Fehler. Diese Entscheidung ist umso absurder, als sie sich als ineffizient herausstellt und den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten (1917) nach sich zieht. Nun besitzen die Gegner Deutschlands die Gewissheit, am Ende das Kräfteverhältnis umzukehren, vorausgesetzt sie halten durch.
Postkarte zur Lebensmittelversorgung mit patriotischen Kartoffelmännchen und dem folgenden "Durchhalte-Text": "Droh'n uns're Feinde auch noch so viel, Uns mit der Hungersnot Graus, Wir machen die letzte Kartoffel mobil, Wir Deutsche, wir halten es aus."
(DHM, Berlin PK 96/535)
Quelle: www.dhm.de/lemo/html/wk1/wirtschaft/versorgung/index.html
Durch die Blockade, die Deutschland den Atem abschnürt, werden die Schwierigkeiten immer größer. Die Versorgung der Zivilbevölkerung wird streng rationiert und sie leidet unter großem Mangel, die Preise steigen. Die Situation wird durch die sehr harten Winter noch verschärft: Im Winter 1916-1917 fehlt es an Kartoffeln und Grundnahrungsmitteln; alte Metallteile werden für den Bedarf der Rüstungsindustrie gesammelt; Tuberkulose und Infektionskrankheiten richten Verheerungen an. Mit der Schaffung des "vaterländischen Hilfsdienstes" wird die gesamte Bevölkerung militarisiert und den Männern zwischen 17 und 60 Jahren werden zahlreichen Verpflichtungen auferlegt. Die Deutschen leiden still und sehen, wie die Liste der Gefallenen, Verletzten, Vermissten und Gefangenen länger wird. Die patriotische Propaganda und die politische Indoktrination können die Sehnsucht nach Frieden nicht auslöschen, die sich zwar nur schwer artikulieren kann, aber unterschwellig ausbreitet.
An der Spitze des Staates hat der Krieg die Machtverhältnisse verändert. Generalfeldmarschall Hindenburg [2] , der zum Chef des Generalstabs ernannt wird (August 1916), und sein Stellvertreter, Generalquartiermeister Ludendorff, vergrößern ihre Kompetenzen weit über den militärischen Bereich hinaus: Das Generalquartier agiert mit diktatorischer Macht. Der Kaiser zieht sich zurück, er ist ein Schattenkaiser geworden. Nach dem Rücktritt des Reichskanzlers Bethmann-Hollweg erlangen dessen blasse Nachfolger keine Autorität. Die Parteien im Reichstag wachen auf, auf der linken Seite spalten sich die Sozialdemokraten auf in die Mehrheitssozialisten, die in der Legalität bleiben, und in eine Minderheit, die einen Blankofrieden wünscht, einen Verständigungsfrieden, den der Kaiser und die Militärs absolut ablehnen. Im Reichstag verabschiedet eine Parlamentsmehrheit bestehend aus Sozialdemokraten, dem katholischen Zentrum und der liberalen Fortschrittlichen Volkspartei eine Friedensresolution (Juli 1917). Dieser sehr vorsichtig formulierte Text bleibt wirkungslos, aber die Parteien, die ihn unterstützt haben, wünschen Reformen und die Beteiligung an der Macht. Diese Konstellation nimmt die Koalition der Weimarer Republik eineinhalb Jahre später vorweg. Die extreme Linke mit Karl Liebknecht [3] und Rosa Luxemburg [4] (beide sind noch inhaftiert) blickt auf die Bolschewisten, aber ihre Untergrundnetzwerke sind noch kaum aktiv.