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'Annäherung der Wertvorstellungen'
 
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Annäherung der Wertvorstellungen

Auch in der Entwicklung der Werte [1] lassen sich deutliche Parallelen zwischen beiden Ländern ausmachen, auch wenn genaue Ergebnisse vergleichender Umfragen erst seit den achtziger Jahren vorliegen. Seither sind jedenfalls die Verschiebungen bei den Werten Arbeit, Familie, Religion und Politik sehr ähnlich. In Frankreich wie in der Bundesrepublik wird Arbeit weiterhin als wichtigster Wert angesehen, einerseits eng mit Leistung verbunden, andererseits zunehmend danach beurteilt, ob sie die Möglichkeit zur Selbstentfaltung bietet.

Abbildung 19:

Sozialer Wandel in Deutschland: Eheschließungen und Ehescheidungen 1950-2000

Die Verheiratetenquote, d. h. der Prozentanteil Verheirateter an der jeweiligen Altersgruppe, ist in Deutschland, ebenso wie in Frankreich, rückläufig. Von den Männern waren in der Altersgruppe der 30-45-Jährigen 1960 85,7 % verheiratet, von den Frauen 84,7 % (Westdeutschland). 1995 war der Anteil in Gesamtdeutschland auf 65,9 bzw. 74,4 % gesunken. Zunehmend ist dagegen die Scheidungsquote (Anteil der Scheidungen in einem Zeitraum bezogen auf eine Grundgesamtheit, z. B. Scheidungen pro Jahr auf 10.000 Ehen). Sie betrug z. B. 1890 7,4%, 1910 15,2 %, 1950 67,5 % und 1980 61,3 % (die Zahlen sind auf das frühere Bundesgebiet bezogen). 


Internet-Quelle [2]

Sozialer Wandel in Frankreich: Eheschließungen und Anteil der Mischehen 1980 - 2000

Année
de mariage
 
 
Ensemble
des mariages
 
 
Nationalité des époux
 
 
Deux époux français
 
 
Deux époux étrangers
 
 
Couples mixtes
 
 
Épouse étrangère
 
 
Époux étranger
 
 
1980
 
 
331 377
 
 
308 066
 
 
5 696
 
 
8 323
 
 
12 292
 
 
1985
 
 
269 419
 
 
241 497
 
 
6 505
 
 
8 773
 
 
12 644
 
 
1990
 
 
287 099
 
 
247 853
 
 
8 703
 
 
12 606
 
 
17 937
 
 
1995
 
 
254 651
 
 
225 612
 
 
5 214
 
 
10 545
 
 
13 280
 
 
1996
 
 
280 072
 
 
251 158
 
 
4 868
 
 
10 783
 
 
13 263
 
 
1997
 
 
283 984
 
 
254 020
 
 
5 237
 
 
10 916
 
 
13 811
 
 
1998
 
 
271 361
 
 
239 704
 
 
5 658
 
 
11 604
 
 
14 395
 
 
1999
 
 
286 191
 
 
250 252
 
 
5 897
 
 
13 638
 
 
16 404
 
 
2000(p)
 
 
305 000
 
 
-
 
 
-
 
 
-
 
 
-
 

Internet-Quelle

An zentraler Stelle steht für Franzosen wie Deutsche - nicht anders als in den fünfziger Jahren - auch die Familie. Sie entwickelte sich beiderseits des Rheins verstärkt zum Raum der Gefühlswerte, der Gefühlsbindungen zwischen den Ehepartnern sowie zwischen Eltern und Kindern. Die familiären Erziehungswerte gingen mehr und mehr in eine ähnliche Richtung. In beiden Ländern wurde die Ehe, in der die Partner demselben Land und dem gleichen sozialen Milieu, auch derselben Region oder Konfession angehören sollten, zugunsten der Liebesehe, die auf gegenseitigem Verständnis und Vertrauen aufbaut, zurückgedrängt. Religiöse Grundüberzeugungen [3] wie der Glaube an Gott oder ein Leben nach dem Tod verloren demgegenüber in beiden Ländern nicht an Bedeutung. Allerdings lockerten sich hier wie dort die Bindungen an die Großkirchen, synkretistische Überzeugungen und Esoterik fanden etwas größere Verbreitung, blieben aber auf eine Minderheit beschränkt.

In der Politik behielt die Sicherung der Grundrechte, der Demokratie und der Sozialstaatlichkeit in Frankreich wie in Deutschland ihre große Bedeutung. Die Veränderungen vollzogen sich weitgehend parallel: Die Bindungen an politische Parteien und große Verbände schwächten sich ab, die Neigung zur direkten politischen Partizipation und zum vorübergehenden, aktionsgebundenen politischen Engagement nahm in beiden Ländern besonders unter den besser Ausgebildeten deutlich zu. Die politischen Großthemen entwickelten sich sehr ähnlich. Dies zeigt sich, selbst bei der Unterstützung der Europäischen Union; diese nahm in den achtziger Jahren leicht zu, ging in den neunziger Jahren aber zeitweise wieder leicht zurück.

Diese Annäherung beider Gesellschaften hat zwar nicht zu einer Nivellierung der Unterschiede geführt, aber deren Bedeutung doch abgeschwächt. Zudem werden Differenzen von der französischen und der deutschen Öffentlichkeit zunehmend anders interpretiert. Die Einstellung zur eigenen und zu anderen europäischen Nationen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Nachbarstaaten werden heute eher als Partner betrachtet, gegen die man keinesfalls Krieg führen will, die freilich ihre jeweils eigenen Interessen vertreten, und durchaus Konkurrenten auf einem gemeinsam geregelten Feld, etwa der Wirtschaft, sind. Nationale Eigenarten werden nicht mehr fast zwanghaft als Zeichen von Über- oder Unterlegenheit gewertet. Der Austausch mit und das Lernen von anderen sowie die nüchterne Analyse der Stärken und Schwächen des eigenen Landes gehören ebenso zu diesem veränderten Bild der eigenen Nation wie die Verantwortung für das gemeinsame europäische Projekt.