- Europa der Regionen
- Europäische Dimensionen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit
- Internationale Verflechtungen: Frankreich und Deutschland im internationalen System
- Deutschland-Frankreich-Polen: Drei Wege in der europäischen Geschichte
- Deutschland - Frankreich - Polen
- Bestandsaufnahme
- Wird das „Weimarer Dreieck“ die Aufnahme Polens in die Europäische Union überleben?
- Potenziale und Aufgaben des „Weimarer Dreiecks“
- Die Unterstützung des gemeinsamen europapolitischen Denkens
- Gemeinsame Entwicklung der institutionellen und politischen Reformen in der EU
- Innenpolitischer Interessenausgleich und Ansprüche im Zuge der EU-Erweiterung
- Substantielle Beiträge zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU
- Für einen französisch-deutsch-polnischen Partnerschafts- und Kooperationsvertrag
- Das Weimarer Dreieck in der erweiterten Union
- Deutschland - Frankreich - Osteuropa. Historische Dimensionen und neue Optionen
- Deutsche und französische Wirtschaft im Osten - kein vergleichbares Engagement
- Belebung des europäischen Russlanddialogs: Deutschland, Frankreich, Russland - strategische Partner für Europa
- Déja-vu in Osteuropa
'Mitwirkung der zivilgesellschaftlichen Kräfte im europäischen Verfassungsbildungsprozess'
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Mitwirkung der zivilgesellschaftlichen Kräfte im europäischen Verfassungsbildungsprozess
Die Debatte über den konstitutionellen Zustand und Charakter der Europäischen Union sowie die damit verbundene Frage nach der finalité politique gehört zu den zentralen Herausforderungen für die Europäische Union, die über die erste Dekade des 21. Jahrhunderts hinaus Bedeutung behalten wird. Im Rahmen der französisch-deutsch-polnischen Kooperation sind zwei Dinge notwendig:
- Von allen drei Partnern des „Weimarer Dreiecks“ sollten Impulse zur notwendigen Verfassungsdiskussion der Europäischen Union ausgehen, um den Konstitutionsbildungsprozess innerhalb der Europäischen Union weitere Dynamik und kohärente Ausrichtung zu geben. Dies gilt vor allem im Blick auf die Entwicklung einer Grundrechtscharta der EU und im Zusammenhang mit der Notwendigkeit einer Kompetenzordnung sowohl zwischen den Institutionen der Europäischen Union als auch im mehrgliedrigen europäischen Regierungssystem (Kommunen, Regionen, Nationalstaaten, Europäische Union).
- Die drei Partner des „Weimarer Dreiecks“ müssen die große Sensibilität dieses Themas und die Gefahr der Missverständnisse in den Partnerländern zur Kenntnis nehmen und dürfen sich nicht überfordern. Dies gilt vor allem für polnische Sorgen, dass deutsche Visionen eines föderalen Europas einem neuen EU-Partner Polen aufgestülpt werden könnten. Es gilt ebenso gegenüber französischen Hoffnungen, die föderalen Ideen der europäischen Integration, die über lange Jahre als provozierend gegolten haben, könnten durch den Gang des europäischen Integrationsprozesses zu Beginn des 21. Jahrhunderts wieder aufblühen, ohne dass die Deutschen der Idee eines föderalisierten Europa noch angemessen und engagiert verbunden sind und ohne dass Polen und andere neue Mitgliedstaaten in der Europäischen Union aus Mittel- und Mittelosteuropa ausreichende Bemühungen unternehmen, die Frage nach der politischen Qualität der Europäischen Union auch nur ernsthaft zu reflektieren und in die öffentlichen Diskussionen und politischen Gestaltungsvorgänge einzubeziehen.
In der Tat wäre es eine unglückliche Verkürzung des europäischen Integrationsprozesses, diesen allein auf die Idee der Marktunion reduzieren zu wollen oder aufgrund der EU-Osterweiterung sogar zu einer Rückkehr zu intergouvernementalen Denkansätzen und in der Folge davon zu einer Rückkehr zu intergouvernementalen Politikansätzen zu gelangen. Zweifellos dürfen sich alte und neue Partner in der Europäischen Union nicht überfordern, aber es ist notwendig, die prinzipielle Diskussion über die politische Tradition und Zielsetzung der Europäischen Union ebenso in die Zusammenhänge des „Weimarer Dreiecks“ hineinzutragen wie die Diskussion über die geistigen Wurzeln und die Wertorientierung der Europäischen Union, die bereits durch die Präambel der Römischen Verträge und erweitert durch die Präambel des Amsterdamer Vertrages zu einem konstitutiven Element des Selbstverständnisses des europäischen Integrationsprozesses erklärt worden ist.
Dem „Weimarer Dreieck“ kommt eine für sein Selbstverständnis und für den weiteren europäischen Integrationsprozess wesentliche Rolle zu, um die Diskussion über die europäische Identität und die europäische Verfassungsbildung ebenso weitsichtig wie umsichtig voranzubringen. Es wäre von praktischem Nutzen, eine wissenschaftlich-politische Studiengruppe einzusetzen, die im Rahmen des „Weimarer Dreiecks“ die Frage nach der künftigen Verfassung Europas unter Einbeziehung von Fachleuten und Repräsentanten anderer Mitglieds- bzw. Kandidatenländer reflektiert. Das „Weimarer Dreieck“ muss einen wesentlichen Beitrag leisten, um das Bemühen „Europa zu denken“ zu stärken. Dies ist vor allem unter stärkerer Ausnutzung der Möglichkeiten des intellektuellen und akademischen Lebens, aber auch im Blick auf die keineswegs ausgeschöpften Potenziale der trilateralen Zusammenarbeit zwischen Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Medien und Erziehungseinrichtungen [1] von hoher Bedeutung. Bei dem Bemühen, konstitutive Defizite des bisherigen europäischen Integrationsweges zu überwinden und Beiträge zur stärkeren Herausbildung einer europäischen Interessenidentität zu leisten, können Wirtschaft, Wissenschaft und innovative Technologien eine wichtige Vorreiterfunktion übernehmen.
Das „Weimarer Dreieck“ muss Beiträge leisten, um eine gleichgerichtete Ausrichtung des Bemühens um einen Dialog mit den Nachbarschaftszonen und –zivilisationen jenseits der künftigen Grenzen der Europäischen Union zu etablieren, zum Nutzen aller Beteiligten zu fokussieren und ebenso durch strategische und intellektuelle Reflexionen wie durch praktische Projekte und Aktionen mit Hebelwirkung zu intensivieren.
Dies gilt ebenso im Blick auf die künftige Ausrichtung des europäischen Verhältnisses gegenüber Russland, die künftige Entwicklung des Euro-Mediterranen Dialoges sowie für die lebendige Zukunftsfähigkeit der transatlantischen Beziehungen. Aufgrund der spezifischen Verbindungen und der jeweilig singulären Beiträge und Ausgangslagen der drei Partnerländer des „Weimarer Dreiecks“ können gemeinsame Beiträge für die Entwicklung des Dialoges mit den Nachbarschaftszonen und –zivilisationen jenseits der künftigen Grenzen der Europäischen Union besonders nutzbringend entwickelt werden. Der Rahmen eines trilateralen Graduiertenkollegs mit Hauptsitz in Warschau kann dafür die nützliche Basis bilden, wenn die Konzeption und Strategie von Anfang an über interne Reflexionen des trilateralen Identitätsverhältnisses und seiner Rolle in Europa hinausgeht und sich mit den Fragen der globalen Herausforderungen an Europa befasst, die das 21. Jahrhundert für die Europäische Union mit sich bringen wird.