French
German
 
Seite zur Sammlung hinzufügen
'Frankreichs Rang in der Weltpolitik: zwischen Anspruch und Wirklichkeit'
 
1 Seite(n) in der Sammlung
 
 
 
 
 

Frankreichs Rang in der Weltpolitik: zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Frankreich kann nicht sein ohne Größe - dieser Satz Charles de Gaulles, unzählige Male wiederholt und auf immer wieder neue Weise formuliert, kennzeichnet wie kein anderer Anspruch und Selbstverständnis Frankreichs in den Augen seiner politischen Repräsentanten, aber auch der französischen Bevölkerung. Die periodische Selbstvergewisserung über Rang und Rolle Frankreichs in der Welt zählt zu den Ritualen französischer politischer Debatten. Hierzulande gerne verspottet (indem auf die Diskrepanz zwischen dem hehren Anspruch einer grande nation und den nüchternen Realitäten verwiesen wird) oder als gar als Zeichen rückwärtsgewandter, nationalistischer Arroganz gebrandmarkt, findet dieser Anspruch in der französischen und europäischen Nachkriegsgeschichte seinen Niederschlag. Dahinter steht die Überzeugung, dass Frankreich zwar längst keine Großmacht mehr ist, aber als Mittelmacht mit weltweiten Interessen Anspruch auf einen herausgehobenen Rang in der Weltpolitik erheben kann. Die Sicherung dieses Ranges, d.h. eines aus einer passiven Mittelmacht herausgehobenen Status einer aktiven schöpferischen Mittelmacht (Alfred Grosser) mit weltweitem Gewicht und Einfluss, kann als eine konstante Zielsetzung französischer Außenpolitik seit 1944 bezeichnet werden. So alt wie diese Ambition ist allerdings auch die Diskussion ihrer Glaubwürdigkeit, die Frage nach der Entsprechung zwischen Zielen und Mitteln. Welchen Platz kann Frankreich, das 0,5% der weltweiten Bevölkerung, 5% der Wirtschaftsleistung und 6% des Welthandels repräsentiert, legitimerweise im internationalen System beanspruchen?

Unbestritten ist, dass der Horizont französischer Politik weit über das Hexagon hinausreicht und eine weltweite Dimension besitzt. Dazu trägt eine Reihe unterschiedlicher Faktoren bei.

  • Frankreich verfügt über ein weit verstreutes Netz überseeischer Gebiete, die als Überseeterritorien (Territoires d´Outre-Mer: Französisch-Polynesien, Neukaledonien, Wallis und Futuna, Australische und antarktische Gebiete), Überseedepartements (Départements d´Outre-Mer: Guadeloupe, Martinique, Guayana, Réunion) oder auch Gebietskörperschaften (Collectivités territoriales: Mayotte, Saint-Pierre-et-Miquelon) unterschiedlichen Rechtsstatus besitzen, allesamt aber integraler Teil des französischen Territoriums mit Vertretung im Parlament sind. Etwa zwei Millionen Menschen leben in diesen Überseegebieten, die Frankreich eine reale Präsenz in der Karibik, vor dem afrikanischen Kontinent und im Südpazifik beschert. Sie dienen als logistisch-technische Stützpunkte für die französische Militärpräsenz; das Mururoa-Atoll diente lange Jahre als Basis für die französischen unterirdischen Atomversuche. Sie haben ökonomische Funktionen wie Guayana, wo in Kourou die Startrampe für die europäische Ariane-Rakete lokalisiert ist, oder Neukaledonien, wo sich ein Zentrum für Aquakultur und die industrielle Produktion von Meeresproteinen befindet; darüber hinaus profitieren diese Gebiete von einer Seerechtskonvention von 1982, die ihnen im Umkreis von 200 Seemeilen das Recht zur exklusiven wirtschaftlichen Nutzung einräumt.

Abbildung 3:

Weltraumbahnhof in Kourou

 

 

Internet-Quelle [1]

  • Die etwa 1,4 Millionen im Ausland lebenden Franzosen genießen einen besonderen Status als "Français de l´étranger" mit einer eigenen öffentlichen Repräsentation (Conseil supérieur des Français à l´étranger) sowie eigenen Vertretern im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments.

  • Mit den Staaten des Maghreb verbindet Frankreich eine lange, wenngleich aufgrund der Kolonialperiode problematische gemeinsame Geschichte sowie ein enges Netz politischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen. Schon aufgrund der Präsenz zahlreicher Einwanderer aus diesen Ländern bildet der Maghreb eine nicht zu übersehende Dimension der französischen Gesellschaft. Dies und die geographische Nähe führen dazu, dass in Frankreich die Entwicklungen im südlichen Mittelmeer mit äußerster Aufmerksamkeit verfolgt werden, weil z.B. die Entwicklung eines militanten islamischen Fundamentalismus in Algerien unmittelbare Rückwirkungen auf die französische Gesellschaft hat. Zusammen mit Italien und Spanien hat sich Frankreich erfolgreich für eine EU-Mittelmeerpolitik eingesetzt, die durch eine Politik gemeinsamer Entwicklungskooperation die politische Stabilität in diesem sensiblen Raum an der Südflanke der Europäischen Union fördert.

  • Eine besondere Einflusszone französischer Politik liegt in zahlreichen Staaten Afrikas südlich der Sahara (30 Staaten, davon 17 unter ehemaliger französischer Kolonialherrschaft). Ein spezielles Ministerium für Zusammenarbeit koordiniert die Beziehungen zu diese Staaten; franko-afrikanische Gipfeltreffen unterstreichen ihre politische Bedeutung. Mit 8 Staaten in Afrika und im indischen Ozean hat Frankreich Beistandsverträge abgeschlossen, mit 24 weiteren bestehen Kooperationsabkommen (1991). Französische Militärberater, umfangreiche Waffenlieferungen, aber auch wiederholte militärische Interventionen in Krisengebieten (z.B. Tschad, Elfenbeinküste, Djibouti, Gabun, Senegal) mit Hilfe einer eigens dazu eingerichteten schnellen Eingreiftruppe (Force d´action rapide) zählen zu den militärischen Elementen dieser Afrikapolitik. Darüber hinaus bestehen enge wirtschaftliche Beziehungen. Drei Viertel der französischen Entwicklungshilfe gingen in den 1990er Jahren nach Afrika. Die afrikanischen Staaten profitieren zudem von den Währungsabkommen (ehemalige Franc-Zone), die den teilnehmenden Ländern eine feste Konvertibilität ihrer Währung sichert und sie eng an die europäische Währungs- und Kreditpolitik bindet. Allerdings ist die ökonomische Bedeutung dieser Beziehungen rückläufig; nur noch 6% (2002) französischen Exporte (1962: 20%) gehen nach Afrika. Vor allem die französischen Direktinvestitionen, die noch in den siebziger Jahren zu zwei Dritteln auf diesen Raum konzentriert waren, haben stark nachgelassen.

  • Die weltweite kulturelle Präsenz Frankreichs manifestiert sich in der Tatsache, dass die französische Sprache in 35 Staaten der Welt als Hauptsprache gesprochen wird. Darüber hinaus praktiziert Frankreich eine Politik der Frankophonie mit entsprechenden Institutionen (Hoher Rat der Frankophonie unter dem Vorsitz des französischen Staatspräsidenten; Agentur für kulturelle und technische Zusammenarbeit; Vereinigung der Universitäten französischer Sprache, usw.) und - seit 1986 - regelmäßigen politischen Gipfeltreffen der Regierungschefs französischsprachiger Staaten, die den Einfluss der französischen Sprache, Kultur und Wissenschaft mit Hilfe dieses Netzwerkes sichern will.

Abbildung 4:

"Le monde de la Francophonie"

 

 

 

Internet-Quelle: www.elysee.fr (24.01.2005)