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'Räumliche Konsequenzen der römischen Herrschaft'
 
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Räumliche Konsequenzen der römischen Herrschaft

Ab dem beginnenden 2. Jh. v. Chr. änderten sich die Verhältnisse. Der Wandel wurde eingeleitet durch Strafexpeditionen der Römer gegen aufrührerische keltische Stämme in den Jahren 181 und 154 v. Chr. Im Jahre 122 v. Chr. gründeten sie Aquae Sextiae Saluviorum (Aix-en-Provence) und machten es zur Hauptstadt der sog. Gallia transalpina (im Gegensatz zur Gallia cisalpina auf der ligurischen Seite, wo sich die Kelten im 4. Jh. v. Chr. angesiedelt hatten). 118 v. Chr. ging die Hauptstadtfunktion an Narbo Martius (Narbonne) über, nach der die Provincia Narbonensis (= Provincia transalpina) benannt wurde. Das Territorium reichte im Westen bis Tolosa (Toulouse), im Norden bis nach Vienna (Vienne) bzw. Genava (Genf).

Abbildung 8:

Territoriale Gliederung Galliens

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [1]

Mit diesen politischen verbinden sich zahlreiche geographische Veränderungen des mediterranen Landesteils von Frankreich. Lange bevor Julius Cäsar zu seinem Eroberungszug nach Gallien aufbrach, war in der Provincia Narbonensis eine tiefgreifend veränderte Kulturlandschaft und gleichzeitig eine solide Operationsbasis für die Unterwerfung der gallischen Völker entstanden. Diese günstige Ausgangsposition mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass die Eroberung Galliens durch Julius Cäsar innerhalb einer so kurzen Zeit erfolgen konnte. Mindestens ebenso ausschlaggebend war aber wohl auch die Tatsache, dass Gallien in Wirklichkeit ein Mosaik aus sich ständig befehdenden Völkern war, dass es sich letztlich um ein zerrissenes Land handelte, in dem die Abneigungen der einzelnen Stämme gegeneinander größer waren als das Gemeinschaftsgefühl aufgrund der gleichen Rasse, der Identität von Sprache, Religion und Kultur. Ganze sechs Jahre benötigte Cäsar, um den Widerstand der Gallier zu brechen. Als Aufmarschweg nutzte er die Rhône-Saône-Furche für einen ersten Schlag gegen die Helvetier. Danach eroberte er Stück für Stück das Pariser Becken in einer dem Uhrzeigersinn entgegengesetzten Kreisbewegung. Die Entscheidungsschlacht fand schließlich 52 v. Chr. bei Alésia im nördlichen Burgund statt, wo sich der Gallierführer Vercingetorix nach langer Belagerung geschlagen geben musste.

Abbildung 9/10:

Der Gallierführer Vercingetorix unterliegt Cäsar in der Schlacht von Alésia

 

Internet-Quelle (Abb. 9)
Internet-Quelle (Abb. 10)
[2]

Die Romanisierung Galliens vollzog sich während einer rund 500 Jahre dauernden Herrschaft Roms. Die kulturgeographischen Spuren aus dieser Phase sind bis heute überall greifbar. Von entscheidender Bedeutung für die politische und militärische Kontrolle waren der Ausbau und die Verdichtung des gallischen Straßennetzes. Ausgangspunkt und wichtigste Verbindung nach Rom war dabei die Via Aurelia [3] , die bis nach Arles führte. Von hier verlief die Via Domitia [4] in westlicher und die Via Agrippa (auch Via Agrippina) in nördlicher Richtung. Letztere wurde ziemlich geradlinig über Trier bis nach Köln weitergeführt. Ein wichtiger Kreuzungspunkt innerhalb dieses Systems war Lyon (Lugdunum), wo mehrere Hauptstränge nach Westen und Nordwesten (Zentralmassiv, Pariser Becken) abzweigten. Etwas weiter nördlich führte eine Straße nach Osten, die über die Burgundische Pforte die Verbindung zum Oberrheintal herstellte. Viele der heutigen Trassenführungen gehen auf jenes Netz zurück.

Abbildung 11:

Lutetia, in der römischen Antike

 

 

 

Quelle: Asterix - Le tour de Gaulle

Gleiches gilt für das römische Städtesystem, für das die Via Agrippa eine zentrale Achse darstellte. Nemausus (Nîmes), Arelate (Arles), Arausio (Orange), Vienna (Vienne), Lugdunum (Lyon, das über einen langen Zeitraum die Funktion der gallorömischen Hauptstadt innehatte), Augustodunum (Autun), Augusta Treverum (Trier, das schließlich die Hauptstadtfunktion von Lyon übernahm) waren hier die wichtigsten Zentren. Im westlichen Teil der Provinz gab es ebenfalls blühende Städte, etwa Tolosa (Toulouse) oder Burdigala (Bordeaux). Jedoch war das Städtenetz hier weniger dicht als im Osten. Auch das Pariser Becken war in jener Zeit weit weniger bedeutend. Lutetia (Paris) entstand zwar an einem wichtigen Übergang über die Seine, hatte jedoch innerhalb des gallorömischen Städtesystems keine herausgehobene Bedeutung. Die vielfältigen Spuren der römischen Antike gerade in den Städten entlang der Via Agrippa bezeugen bis heute die wirtschaftliche und kulturelle Blüte in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung.

Abbildung 12:

Gallien zur Zeit Cäsars

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [5]

Unter den kulturlandschaftsprägenden Veränderungen während der Römerzeit verdienen auch die Siedlungsneugründungen im ländlichen Raum sowie dessen Neuvermessung Erwähnung. Die Neuanlage von villae rusticae, die oft Ausgangspunkte für spätere dörfliche Siedlungen wurden, erfolgte in jener Zeit. Meist handelte es sich dabei zunächst um Gutshöfe, die an Kriegsveteranen vergeben wurden. Mit diesen Gründungen ging auch die flächenhafte Landvermessung einher, wobei in der Frühphase ein quadratischer Landblock üblicherweise in einhundert Landlose (jugera = Joch) unterteilt wurde (Werner 1989, S. 216). Dieses Grundschema des Zenturiatssystems [6] , das aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Römer bekannt ist, findet sich teilweise bis heute dem kleinstrukturierten Parzellenschema des unteren Rhônetals unterlegt, insbesondere im Gebiet um Orange, wo kleinbetriebliche Strukturen bereits in der römischen Antike überwogen. 

Abbildung 13:

Die Villa Rustica von Loupian im Département Hérault (Rekonstruktionszeichnung)

 

 

Internet-Quelle [7]

In anderen Teilen Frankreichs, insbesondere in Aquitanien und im Pariser Becken, waren dagegen von Beginn an latifundiale Größenstrukturen verbreitet. Hier umfassten die villae oft 1000 ha und mehr Fläche. Sie zeichneten sich fast immer durch das Nebeneinander einer prächtigen villa urbana, dem Wohnhaus des Grundherrn mit allem erdenklichem Komfort, und der villa rusticana, den Sklavenwohnungen, Wirtschaftsgebäuden, Kellern, Speichern etc. aus (Braudel 1989/90, Bd. 2, S. 82/83). Gerade diese Großgrundbesitzungen mit ihrer Sklavenwirtschaft waren spätestens ab dem 2. Jh. n. Chr. ständig Anlass zu Aufständen (bagaudes, wohl aus keltisch baga = Kampf) der gallischen Bevölkerung gegen die römische Herrschaft.

Die inneren Territorialstrukturen im römisch besetzten Gallien wurden nach der Eroberung nicht so grundlegend verändert, wie man es hätte vermuten können. Zwar wurden die föderativen Verbindungen der keltischen Stämme (nunmehr sollte man sie in Anlehnung an den römischen Sprachgebrauch als gallische Stämme bezeichnen) unter den Römern aufgelöst, jedoch blieben die keltischen pagi, von einigen Zusammenlegungen abgesehen, weitestgehend bestehen. Anders die Untergliederung in Provinzen, die in einer ersten Periode lediglich eine Zweiteilung erfuhr, nämlich in das schon seit 120 v. Chr. entstandene Gallia togata (wo die Einwohner nach der Art Roms gekleidet gingen) und Gallia comata, das langhaarige oder hosentragende (G. braccata) Gallien.

Unter Augustus wurde dann zwischen 27 und 16 v. Chr. eine umfassende Reorganisation der Verwaltung durchgeführt, die hinsichtlich der Territorialgrenzen die "endgültigen" Grundzüge für die nächsten 500 Jahre erhalten sollte. Die Provincia Narbonensis (= G. togata) wurde dem Senat unterstellt, die Gallia comata wurde in die tres Galliae unterteilt, G. Aquitania, G. Celtica (ab 20 n. Chr. G. Lugdunensis) und G. Belgica. Hierzu schreibt K. F. Werner (1989, S. 198): "Mit Ausnahme der Touraine, dem Land der Turoni, kam das gesamte Gebiet südlich der Loire an Aquitanien, und zwar auf Kosten der Gallia Celtica. Das römische Aquitanien mit seiner Hauptstadt Burdigala (Bordeaux) wurde so eine keltisch-iberisch gemischte Region mit einer keltischen Majorität. Es war sehr aufgeschlossen für die Einflüsse aus der Narbonensis, mit der geographische und klimatische Gemeinsamkeiten bestanden. Diese Tatbestände sind wichtig für die Entwicklung des Midi im weitesten Sinn; sie sollten jetzt erst zunehmend zur Trennung des Südens vom nördlichen Gallien führen. Auch die Belgica wurde auf Kosten der Celtica vergrößert: Alle östlichen Stämme mit ihren Zentralorten Trier, Metz, Toul, Langres und Besançon, also auch die Sequaner wie die Helvetier, wurden an die unverhältnismäßig ausgeweitete Belgica angegliedert (...) Diese Grenzziehung beließ der Celtica nur einen Gebietsstreifen von Lyon bis zur bretonischen Halbinsel, der das Gebiet der Häduer (Bibracte) und Senonen (Sens) sowie das Land zwischen Ärmelkanal und der Loire umfasste. Damit wird ein wichtiger Planungsgrundsatz erkennbar: Alle diese Provinzen stoßen bei Lyon zusammen, das zur gemeinsamen Hauptstadt der Drei Gallien (tres galliae) bestimmt war."