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'Historische Entwicklung des Stadtteils Bercy'
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Historische Entwicklung des Stadtteils Bercy
Ein Adliger ließ 1636 ein glanzvolles Lustschloss mit einer französischen Gartenanlage, Orangerie und großen Wasserbecken vor den Toren von Paris in Bercy an der Seine erbauen. Es entstanden weitere Adelssitze entlang der Seine und so entwickelte sich der Pariser Osten zum Gegenpol Versailles [1] (ALBIN 1989: 20). Diese prunkvolle Zeit endete brutal mit dem Beginn der Französischen Revolution. Aus der Lehnsherrschaft wurde 1790 die Kommune Bercy im Kanton Vincennes im Bezirk Bourg-Egalité (MAIRIE DE PARIS 2000:19). Die Aristokratie wurde verbannt und in die Residenzen zogen aufstrebende Unternehmer wie Jean-Jacques Arthur ein, ein Papierfabrikant und Freund von Robespierre.
Das Gebiet erfuhr ein schnelles wirtschaftliches Wachstum, welches besonders auf die gute infrastrukturelle Lage zurückzuführen war. Dabei galt die Seine vor dem Eisenbahnbau als Hauptversorgungsachse für Paris (Albin 1989: 31). Die Gemeinde Bercy etablierte sich als Lager- und Handelsplatz vor allem für Weine, da die schweren Holzfässer einfach über die Seine angeliefert werden konnten. Immer mehr Weinhändler mieteten die ehemaligen Adelsresidenzen entlang der Seine und ersetzten sie später durch Lagerhallen aus Backstein, den Entrepôts.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts landeten in der Freihandelszone rund 3.000 Kähne pro Jahr an. In unmittelbarer Nähe zu den Hallen reihten sich Handwerks- und Gastronomiebetriebe, die mit dem Weinhandel in Verbindung standen. Bercy entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einem beliebten und ökonomisch erfolgreichen Viertel, das zum bedeutendsten Weinhandelszentrum Frankreichs avancierte (PLETSCH 2000: 232). Die Eröffnung der Gare de Lyon 1847 brachte neue Entwicklungsimpulse mit sich. Im Rahmen der großen Stadterweiterung von Paris im Jahr 1860 wurde Bercy als eines von vier Quartiers in das neu entstandene 12. Arrondissement eingemeindet. In diesem Zusammenhang wurde eine Neugliederung des Gebietes vollzogen und die planlos gewachsene Ansammlung von Gebäuden durch gitternetzartig angeordnete Plastersteinstrassen mit Gebäudereihen ersetzt. Ende des 19. Jahrhundert erreichte die Fläche etwa 42 ha mit rund 6.000 Arbeitsplätzen in den Entrepôts. Die demographische Entwicklung im 19. Jahrhundert verzeichnet einen steilen Anstieg, wie sie in vielen industrialisierten Vororten von Paris zu finden sind: von 1.400 Einwohnern 1790, über 8.000 im Jahr 1841 bis zu 16.000 in den 1890er Jahren (ALBIN 1989: 52).
Seit den 1950er Jahren wurden die Lagerhallen immer mehr dem Verfall preisgegeben. Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Natur. Zum einen lieferten die ehemaligen Kolonialländer wie Algerien nach ihrer Unabhängigkeit deutlich weniger Wein. Hinzu kam, dass die Entrepôts von Bercy für eine modernere Lagerhaltung der Waren nicht mehr geeignet waren. Die Bindung an den Wasserweg war nicht mehr gegeben, so dass sich das Transportverhältnis zu Gunsten der Strasse verschoben hat und Standorte außerhalb der Stadt deutlich attraktiver wurden. In Anbetracht dieser Hintergründe verlängerte die Stadt Paris 1950 die Pachtverträge der Weinhändler nicht und wollte im Rahmen der Maßnahmen zum „Gleichgewicht des Pariser Ostens“ eine Veränderung des Viertels herbeiführen.