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'Ethnische Minderheiten in peripherer Anordnung'
 
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Ethnische Minderheiten in peripherer Anordnung

Arthur Schopenhauer [1] (1788-1860), ohne Zweifel einer der bedeutendsten deutschen Philosophen des 19. Jahrhunderts, fällte 1851 in seiner Aufsatzsammlung Parerga und Paralipomena bezüglich der französischen Sprache [2] ein vernichtendes Urteil: "Dieser elendste romanische Jargon, diese schlechteste Verstümmelung lateinischer Worte, diese Sprache, welche auf ihre ältere und viel edlere Schwester, das Italiänische, mit Ehrfurcht hinaufsehen sollte, diese Sprache, welche den ekelhaften Nasal en, on, un zum ausschließlichen Eigenthum hat, wie auch den schluckaufartigen, so unaussprechlich widerwärtigen Accent auf der letzten Silbe (...) - diese armsälige Sprache wird als langue classique neben das Griechische und Lateinische gestellt! Ich fordere ganz Europa auf zu einer générale huée (einem allgemeinen Hohngelächter), um diese schaamlosesten aller Gecken zu demüthigen" (zit. nach J. v. Uthmann, 1955: 116)

Eine unglaubliche Äußerung über eine Nation, die der Pflege und der Vereinheitlichung ihrer Sprache [3] stets eine besondere Sorgfalt [4] hat angedeihen lassen, dies insbesondere mit Blick auf ihre ethnisch-kulturellen Vielfalt, die schon früh als eine Gefahr für den Zentralstaat verstanden wurde. Doch das Bemühen um die Vereinheitlichung der Sprache, die schon im Edikt von Villers-Cotterêts [5] (1539) unter Franz I [6] . hergestellt werden sollte, blieb über Jahrhunderte hinweg eine Fiktion. Die Gründung der Académie française [7] im Jahre 1635, die zum Ziel hatte, die Sprachnorm innerhalb der Nation zu vereinheitlichen, konnte das Fortleben der Regionalsprachen ebenso wenig verhindern wie das erwähnte Edikt rund 100 Jahre zuvor.

 

 

 

Quelle: www.academie-francaise.fr

Wie sehr die Existenz der Regionalkulturen als Bedrohung empfunden wurde, zeigt der Ausspruch des Abbé Sieyès [8] , einem jakobinischen Deputierten in der Convention von 1791: "La réaction parle allemand, l'obscurantisme parle bas-breton, l'ignorance parle provençal." (Die Reaktion spricht Deutsch, der Obskurantismus spricht Niederbretonisch, die Ignoranz spricht Provenzalisch.) 1794 äußerte sich Bertrand de Barrère de Vieuzac, ein Mitglied des Comité de Salut Public [9] , ähnlich: "Le fédéralisme et la superstition parlent bas-breton; l'émigration et la haine de la République parlent allemand; la contre-révolution parle italien et le fanatisme parle basque. Chez un peuple libre, la langue doit être une et la même pour tous." (Der Föderalismus und der Aberglaube sprechen Niederbretonisch, die Emigration und der Hass auf die Republik sprechen Deutsch, die Konterrevolution spricht Italienisch und der Fanatismus spricht Baskisch. In einem freien Volk muss die Sprache für alle ein und dieselbe sein.)