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'Von den Hugenotten zu Bonaparte - eine Geschichte voller Einflüsse'
 
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Von den Hugenotten zu Bonaparte - eine Geschichte voller Einflüsse

Doch der Westwind blies weiter: Die "deutschen" Fürsten (oder zumindest die klügeren unter ihnen) erkannten den Entwicklungsrückstand ihrer Gebiete gegenüber Frankreich. Deshalb "importierten" einige unter ihnen - allen voran Friedrich II. [1] von Preußen - die Hugenotten [2] , die in Frankreich verfolgt wurden, um ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Systeme zu modernisieren, und sie geruhten gar, den Ideen der Aufklärung zur Kenntnis zu lauschen, wie dies die Präsenz Voltaires [3] am Hofe des Preußenkönigs bezeugt. Und nicht zuletzt waren es die vom Westen kommenden Auswirkungen der Französischen Revolution, die entscheidend zur Entwicklung des deutschen Nationalismus beitrugen.

Abbildung 3:

Die Ankunft der Hugenotten


Glasmalerei im Rathaus von Erlangen

 

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [4]

Die Anhänger der Aufklärung in Deutschland, zugleich die Repräsentanten der "Deutschen Klassik", begeisterten sich für die Französische Revolution. Die deutsche Literatur, vertreten durch Goethe und Schiller, aber auch Philosophen wie Fichte, vertrat ein neues Menschenbild, das gekennzeichnet war durch die Ideen der Freiheit und der Moral, wie es am deutlichsten zu Tage tritt bei dem Philosophen Immanuel Kant in seinem "moralischen Imperativ" oder in seinem pazifistischen Traktat "Vom Ewigen Frieden". Goethe [5] und Schiller [6] griffen in ihren Dramen (Wilhelm Tell, Die Räuber, Götz von Berlichingen etc.) das Ancien Régime und die feudale Ordnung an. Unter dem Einfluss der Napoleonischen Truppen bildete sich - beispielsweise - die Republik Mainz, wo die republikanische Bewegung die alte Ordnung zu zerstören versuchte. So mutet es schon fast tragisch an, dass die einzigen Spuren dieser umstürzlerischen Zeit sich heute gerade noch in den Kostümen des Mainzer und Kölner Karnevals wiederfinden.

Kurzum, die dynamischen und fortschrittlichen Kräfte des deutschen Republikanismus (oder, um genauer zu sein: die republikanischen Elemente in bestimmten deutschen Landstrichen oder Städten) standen angesichts der politischen Konstellation der Epoche vor einem Dilemma: Die Verteidigung des Republikanismus und der Tugenden der Französischen Revolution implizierte, dass ihre Vertreter mit den Napoleonischen Besatzungstruppen in Verbindung gebracht wurden. So gerieten die Prinzipien von Freiheit und Demokratie in einen Widerspruch zu den Zielen des aufkeimenden deutschen Nationalismus, die daher von den absolutistischen Kräften der alten Ordnung geschickt instrumentalisiert werden konnten. Diese fundamental unterschiedlichen Ausgangspunkte des französischen und des deutschen Nationalismus hatten schwerwiegende Folgen für die Entwicklung der nationalistischen Ideologien in beiden Ländern.

Die Spezifik der damaligen Situation in Deutschland und Frankreich bedingt bis heute auch das Staatsangehörigkeitsrecht. In Frankreich, einem lange vor der Revolution und der Entstehung des Nationalismus territorial geeinten Staat, geriet die Schaffung der Nation zu einem politischen Projekt, das auf den Prinzipien der Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit ruhte: Franzose war, wer auf französischen Boden geboren wurde. Aufgrund der Nichtexistenz eines deutschen Staates zum Zeitpunkt des Aufkeimens des deutschen Nationalismus, musste dieser die Bestimmungsfaktoren der Nation in anderen Bezügen als der Territorialität suchen wie etwa in der Sprache, der Kultur, der Abstammung ... Hier liegen die Wurzeln für das ius soli [7] , das trotz einiger Veränderungen in jüngster Zeit das Staatsangehörigkeitsrecht in Frankreich bis heute prägt, und des ius sanguinis [8] , das noch immer Grundlage des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts ist.

Abbildung 4:

Die Proklamation Wilhelms I. zum Kaiser in Versailles 1871


Holzgravur nach einem Gemälde von Anton von Werner, Bildarchiv Preussischer Kulturbesitz

 


Internet-Quelle