- Bevölkerungsstruktur, Migration, Minderheiten
- Die sozialen und kulturellen Beziehungen Frankreichs und Deutschlands seit 1945
- Von den Hugenotten zu Bonaparte - eine Geschichte voller Einflüsse
- Die republikanischen Werte im Konflikt mit dem Imperativ der Befreiung
- Hegel legitimiert den preußischen Autoritarismus
- Das "normalisierte" Deutschland kann sich mit seiner Verfassung identifizieren
- Zivilgesellschaftliche Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich
- Provinz zwischen Reich und Republik - Politische Mentalitäten in Deutschland und Frankreich 1918 bis 1933/36
- Das Jahr 1968 und die Folgen
- Begegnungen im Alltag
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Einleitung
Die grundsätzlich verschiedene Vorstellung über das Staatsangehörigkeitsrecht in Frankreich und in Deutschland erklärt sich aus den grundlegenden Unterschieden in der Entstehung der und Vorstellung über die Nation in beiden Ländern. Dennoch sind ihre jeweiligen politischen Entwicklungen eng mit einander verbunden - und dies vielleicht weniger durch die Vielzahl der unfruchtbaren Kriege als durch die Tatsache, dass man nach 1945 begriff, dass die militärische Konfrontation eine Dummheit war. Blickt man auf die deutsch-französischen Beziehungen [1] zurück, um bestimmte Eigenheiten des deutschen Nationalismus zu verstehen, so ist es auch wichtig darauf zu verweisen, dass es nicht nur Konfrontation gab. Gerade auf der Ebene der Ideen gab es immer einen starken französischen Einfluss auf jenes Gebiet, das man Deutschland nannte, und das in Wirklichkeit nur eine schier unendliche Vielzahl souveräner Staaten war. Hinzu kommt, dass fortschrittliche Ideen in diesem "Deutschland" von den zahlreichen Arbeitsmigranten [2] verbreitet wurden, die sich in Paris im 19. Jahrhundert politisiert hatten. Dies fügt sich zum Einfluss der Hugenotten [3] und vor allem der Aufklärung. Vereinfacht könnte man sagen, dass sich in Deutschland die Verhältnisse nur dann änderten, wenn ein starker Westwind blies.
Im Gegensatz zu Frankreich, das im wesentlichen seine territoriale Einigung unter der Herrschaft von Franz I. [5] verwirklichte und sie unter Ludwig XIV. [6] vervollständigte, nahm Deutschland - oder was man als solches bezeichnete - den genau umgekehrten Weg. Sicherlich gab es im Mittelalter das Heilige Römische Reich deutscher Nation [7] . Aber dieser Begriff von Nation hatte nichts gemein mit seinem modernen Sinn, und das Reich selbst siechte dahin, wurde schwächer und spaltete sich auf. Vom Gesichtspunkt der Entstehung einer Nation aus betrachtet, gleicht die deutsche Geschichte eher einer Reihe ironischer Ereignisse: Jahrhunderte lang war die Krone des deutschen Kaisers im Besitz des Hauses Habsburg, einer Dynastie, deren Gebiete mehrheitlich nicht Teil dieses Reiches waren. Die Existenz dieses schon fast sagenumwobenen Deutschen Reiches endete formal am 6. August 1806 als, in der Folge eines Ultimatums Napoleons, Franz II. von Habsburg auf die Krone des Deutschen Reiches verzichtete. Dieser Akt bedeutete das Ende der Existenz einer politischen Einheit, die bereits weitestgehend eine juristische Fiktion gewesen war und deren Etikett "deutsch" niemals jene ethnische Bedeutung gehabt hatte, die der Begriff dann im 19. Jahrhundert mit dem Beginn der antinapoleonischen Kriege annahm. Jene Krone des alten Reiches fiel schließlich dem König von Preußen zu, der, im Augenblick der Reichsgründung im Schloss von Versailles am 18. Januar 1871, den Titel "Kaiser" für sich beanspruchte. Und nur weil der König von Preußen zugleich Kurfürst von Brandenburg war, konnte er den Anspruch erheben, zum Kaiser gekrönt zu werden. Nicht zufällig warf die Findung der offiziellen Bezeichnung des Kaisers Probleme auf: Während der Kronprinz und die liberalen Kräfte die Bezeichnung "Kaiser der Deutschen" favorisierten, eine Formel, die den nationalistischen Vorstellungen entgegenkam, wollte Wilhelm selbst sich zu "Kaiser von Deutschland" proklamieren lassen, ein Titel, der ein absolutistisches Recht auf die nicht-preußischen Gebiete Deutschlands anklingen ließ. Daher favorisierte Bismarck den Titel "Deutscher Kaiser". Schließlich versuchte der Groß-Herzog von Baden in seinem Toast zur Eröffnung der Krönungszeremonie die Debatte zu entschärfen, indem er "Kaiser Wilhelm" beglückwünschte. (1)
Die faktische (nicht die juristische) Zerstörung dieses Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation hatte sich in etwa zu der Zeit vollzogen, als Frankreich sich als Territorialstaat konstituierte. Der Abschluss des Westfälischen Friedens [8] (1648) besiegelte die Auflösung dieses Reiches in Hunderte von großen, kleinen und winzigen Fürstentümern. Dieser Westfälische Frieden, dessen 350ster Jahrestag vor wenigen Jahren gefeiert wurde, gilt als Geburtsstunde des modernen internationalen Systems und, zugleich, des Völkerrechts. Er schrieb das Prinzip der Territorialität als Grundlage der Staatensouveränität und der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten fest und verhinderte in der Folge dieses Grundsatzes die Entstehung eines nationalen und territorial geeinten deutschen Staates.
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Anmerkungen
(1) Voir Bruno Gebhardt, Handbuch der Deutschen Geschichte, vol. 3, Stuttgart, 1960, p. 189.
Links:
- [1]http://www.ladocumentationfrancaise.fr/dossier_actualite/france_allemagne/index.shtml
- [2]Migrationen und kultureller Austausch seit 1815
- [3]Von den verachteten "Fröschefressern" zu den "besten Deutschen": Zur Geschichte der Hugenotten in Deutschland
- [4]http://www.euratlas.net/history/europe/1600/index.html
- [5]http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_I._%28Frankreich%29
- [6]http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_XIV._%28Frankreich%29
- [7]http://de.wikipedia.org/wiki/Heiliges_R%F6misches_Reich_Deutscher_Nation
- [8]http://de.wikipedia.org/wiki/Westf%C3%A4lischer_Friede