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'Der Einfluss der Pfarrer und Lehrer auf politische Mentalitäten'
 
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Der Einfluss der Pfarrer und Lehrer auf politische Mentalitäten

Für die Umsetzung politischer Mentalität in Wählerstimmen waren indes auf dem deutschen wie auf dem französischen Lande auch in der Zwischenkriegszeit lokale Meinungsführer fast noch wichtiger als die Parteien selbst. Zu den Multiplikatoren, denen aus ihrer beruflichen Stellung besondere Einflussmöglichkeiten erwuchsen, zählten neben den Bürgermeistern vor allem die noch in den kleinsten Bauerndörfern präsenten Pfarrer und Lehrer. Sie hatten schon im 19. Jahrhundert maßgeblich an der Formung der regionalen politischen Mentalitäten mitgewirkt und vermochten nach 1918 – angesichts des bäuerlichen Misstrauens gegen ”dorffremde” parteipolitische Propagandisten - ihren gesellschaftlichen Einfluss vor allem auf dem Lande noch lange zu bewahren. So bildeten die evangelischen Pfarrer in dem ungebrochen kirchentreuen Westmittelfranken eine der Säulen der DNVP [1] , als Funktionäre, Mitglieder oder auch nur als Sympathisanten, die im Pfarrgemeinderat oder vor dem Kriegerdenkmal kein Hehl aus ihren deutschnationalen Überzeugungen machten. Die Lehrer rangierten in der Hierarchie des fränkischen Dorfes – trotz der Befreiung von der geistlichen Schulaufsicht 1919 – hinter dem Pfarrer, fanden aber in dem aufblühenden Vereinswesen der Zwischenkriegszeit ein reiches Feld zu gesellschaftlicher Betätigung. Die im Kulturkampf klassisch gewordenen Konflikte zwischen konservativem Pfarrer und liberalem ”Schulmeister”, wegen der lutherisch-orthodoxen Orientierung von Teilen der Lehrerschaft in Westmittelfranken ohnehin seltener, nahmen infolge des Auszehrungsprozesses des Liberalismus nach dem Krieg weiter ab.

Abbildung 8:

Wahlplakat der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) zur Weimarer Nationalversammlung mit der Darstellung des "Staatswagens", der vom Tod (Revolutionär) gelenkt wird. Zum Kern der außenpolitischen Forderungen der DNVP zählten die Außerkraftsetzung des Versailler Vertrags sowie die Rückgabe der abgetretenen Gebiete und der ehemals deutschen Kolonien.

Internet-Quelle [2]

In der Corrèze waren die Gewichte zwischen beiden Sozialfiguren viel eindeutiger zugunsten der Instituteurs verteilt, die neben ihrem unmittelbaren Einfluss auf Schüler und Eltern oft als schriftkundige Gemeindesekretäre mit dem radikalsozialistischen Bürgermeister kooperierten, sich aber auch im Bauernverband oder in den wichtigen Vereinigungen des Laizismus besonders hervortaten. Das nach dem Krieg gewachsene Selbstbewusstsein der Instituteurs, denen die Regierung des Linkskartells 1924 auch den Weg zu gewerkschaftlicher Aktivität geebnet hatte, stieß sich allerdings an den unverändert paternalistisch-oligarchischen Strukturen des Parti radical [3] , in dem Vollakademiker, meist Juristen und Ärzte, die wichtigsten Abgeordnetenposten besetzten. Der Beitrag der Lehrer zur lokalen Willensbildung war aber dennoch entscheidend, da sich die Pfarrer aus der politischen Quarantäne, die zu Zeiten des laizistischen Kulturkampfes über sie verhängt worden war, auch nach dem Weltkrieg nicht befreien konnten und durch vereinzelte Aktionen im wesentlichen nur den Antiklerikalismus ihrer Gegner nährten, ohne jedoch in den entkirchlichten Gegenden eine konservative politische Wirkung zu erzielen.

Abbildung 9:    

Die Gründung der radikalen Partei vor rd. 100 Jahren, und damit der ältesten Partei Frankreichs, steht am Ende eines politischen Wandlungsprozesses, der das 19. Jahrhundert geprägt hat.

 

 

 

Internet-Quelle [4]

Die unterschiedliche Mentalität der corrézischen und westmittelfränkischen Lehrerschaft machte sich besonders in der ”republikanischen” bzw. ”vaterländischen” Prägung des regionalen Vereinswesens bemerkbar. Das insgesamt reichere Vereinsleben in der deutschen Agrarprovinz spiegelte sich mit seinem ganzen massenwirksamen nationalen Pathos am besten in der Gesangvereinskultur Westmittelfrankens wider, während in der Corrèze bezeichnenderweise die individualistisch ausgerichteten geheimen Männerbünde der Freimaurer mit ihrem humanistisch-universalistischen Wertekanon die stärkste politische Kraft - nicht zuletzt als Vorfeldorganisation der republikanisch-laizistischen Parteien – entfalteten.

Abbildung 10:    

"Sie heißen Lemoine (=Mönch)! Ich 'empfehle' Ihnen, Ihren Namen laizisieren zu lassen, ansonsten müsste ich Sie entlassen." (Le Charivari)

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [5]