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Zusammenfassung

Die verfassungsmäßige Verankerung der drei demokratischen Wertbegriffe von Liberté, Egalité und Fraternité scheint offensichtlich nicht auszureichen, um sie tatsächlich für alle Staatsbürger zu garantieren. Frankreichs Umgang mit seinen ethnischen Minderheiten war zumindest in der Vergangenheit oft durch Restriktionen und Beschneidungen (nicht nur) der kulturellen Freiheit geprägt. Engagierte Autonomisten reagieren darauf heute verschiedentlich mit Maßnahmen, die ihrer Sache letztlich wohl kaum dienen. Aber auch bei besonneneren Autoren ist gelegentlich sogar vom kulturellen Genozid die Rede, etwa im Zusammenhang mit der Kulturpolitik der Dritten Republik (1871-1940), die in den Regionalsprachen des idiomes barbares, des véhicules de l'obscurantisme et du cléricalisme, et surtout des obstacles à l'unité nationale 1 sah und sie kategorisch verbot, um die Einheit Frankreichs nicht zu gefährden: Pour l'unité de la France, déclara le ministre de l'Instruction publique de Monzie, la langue bretonne doit disparaître 2 (zit. nach Omnès 1985: 141). Dass sich die Regionalkulturen seit einigen Jahrzehnten wieder freier entfalten können, ist erfreulich und zeigt Früchte. Gleichwohl reicht diese wiedergewonnene Freiheit nirgends weit genug, um in autonomer Selbstbestimmung über die Zukunft der eigenen Kultur entscheiden zu können.

Ähnlich geht es den ausländischen Immigranten in unserem Nachbarland. Das französische Integrationsmodell scheint nicht mehr zu greifen, seit sich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf globaler Ebene verändert haben. Zwar versucht Frankreich, seine Vorstellungen von Nationalkultur und nationaler Identität auch unter den veränderten Vorzeichen zu verteidigen, jedoch kann es eine gewisse Aushöhlung dieser Werte auch nicht verhindern. Man kann sich ohnehin fragen, ob das französische Gesellschaftsmodell je mehr war als ein bloßes intellektuelles Konstrukt. Tatsache ist, dass diese Vorstellung in einer postindustriellen Gesellschaft nicht mehr greift, wobei sie nicht plötzlich verschwindet, wohl aber mehr und mehr zerbröckelt, da die einzelnen Bestandteile des Modells unter dem gleichzeitigen Einfluss der intellektuellen Kritik und der sozialen Veränderungen geschwächt wurden. In diesem Zusammenhang muss sich Frankreich wohl auch allmählich von der Vorstellung der Identität von Nationalstaat und Gesellschaft verabschieden. Die Gleichsetzung der Gesellschaft mit dem Nationalstaat entspricht nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten, schon gar nicht mit Blick auf die ausländischen Minderheiten, mit deren Integration auch Frankreich heute seine Probleme hat, bis hin zu seiner inneren Sicherheit, die zu einem emotionalisierten Slogan extremistischer Parteien geworden ist. Ganz allgemein stellt sich dabei ohnehin die Frage, ob die Idee des Nationalstaats à la française in einem Europa der supranationalen Systeme noch zeitgemäß ist.

  1. barbarische Idiome, Wegbereiter des Obskurantismus und des Klerikalismus, und vor allem Hindernisse zur nationalen Einheit
  2. Für die Einheit Frankreichs, sagte Bildungsminister de Monzie, muss die bretonische Sprache verschwinden.

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