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Weimar: Ja aber!

Der noch unter dem Eindruck der innereuropäischen Verwerfungen während des Irak-Konflikts stehende "Breslauer" Gipfel des Weimarer Dreiecks vom 9. Mai 2003 präsentierte ein ambitioniertes Programm zur Vitalisierung der trilateralen Kooperation. Als "Forum des Dialogs und der Zusammenarbeit", so ist in der gemeinsamen Erklärung der französischen und polnischen Staatspräsidenten sowie des deutschen Bundeskanzlers zu lesen, solle das Weimarer Dreieck zu einer "Impulse gebenden, gestaltenden Kraft im Dienst der erweiterten Union" werden.

Abbildung 6:

Künstliche Stützen für die Europäische Union? Das "Weimarer Dreieck" hat sich bisher noch nicht unbedingt als solider Pfeiler erwiesen. Vielmehr krankt "die französisch-deutsch-polnische Kooperation an einem Nebeneinander unterschiedlich intensiver bilateraler Beziehungen"

 

 

 

 


Quelle: DIALOG 66/67 (2004:14) 

Hierfür wurden Politikfelder für den "Trialog" angesprochen und eine Ausweitung des Aktionsradius des Dreiecks auf weitere Bereiche sowie die Intensivierung der gesellschaftlichen Zusammenarbeit angemahnt. Doch so wünschenswert all diese Schritte sind, ein Wendepunkt für die Dreierkooperation war "Breslau" nicht. Jedenfalls hat das Weimarer Dreieck das Scheitern des Brüsseler Gipfels nicht verhindern können, ob es eine entscheidende Rolle bei der Suche nach einer Lösung für das Stimmengewichtungsproblem spielen wird, ist eher zu bezweifeln.

Was soll in Anbetracht dessen aus der Weimarer Kooperation werden? Vor allem kein neuer Motor für die 25er EU. Das Maximalprogramm des Dreiecks, nämlich eine Art Osterweiterung des deutsch-französischen Motors ist nicht nur unrealistisch, sondern, zumindest aus heutiger Sicht, auch nicht unbedingt wünschenswert. Ein Weimarer Dreieck mit Antriebsfunktion bärge nicht zuletzt das Risiko, die deutsch-französische Kooperation zu fesseln. Dies wäre problematisch, denn das Tandem Paris-Berlin wird zwar nach der Erweiterung seinen privilegierten Status verlieren, aufgrund seiner intensiven Beziehungen wird es aber weiterhin für die Aufrechterhaltung des integrationspolitischen Momentums benötigt.

Abbildung 7:

Bundeskanzler Gerhard Schröder informiert die Presse über Ergebnisse aus den Gesprächen mit dem polnischen Staatspräsidenten, Aleksander Kwasniewski, und dem französischen Staatspräsidenten, Jacques Chirac zur Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Internet-Quelle [1]

Ein weiteres, neueres Problem könnte die polnische Haltung zu Weimar bringen: Bisher war Polen der konsequenteste Bannerträger einer Stärkung des Weimarer Dreiecks. Die Unzuträglichkeiten mit Deutschland und Frankreich und innerpolnische Diskussion über Warschaus Strategie in Europa haben aber hier Veränderungen erbracht: Zumindest Teile des europaskeptischen Lagers stehen Weimar ablehnend gegenüber. Ihrer Auffassung nach macht es für Polen keinen Sinn, sich der "Achse der Verlierer" anzuschließen. Vielmehr müsse man sich auf Großbritannien, Spanien oder andere Partner orientieren. Sollte sich die Spaltung in Befürworter eines "polnischen Wegs" und einer "Weimarer Option" (so die Einteilung von Piotr Buras) verfestigen, stünde selbst Polen nicht mehr uneingeschränkt hinter der Idee einer Aktivierung des Weimarer Dreiecks, hinge es von innenpolitischen Konfigurationen ab, wie deutlich sich Polen für die trilaterale Kooperation engagiert. In Anbetracht solcher Unwägbarkeiten sollten sich folglich alle Beteiligten bei der Definition einer Identität des Dreiecks von der Idee einer Avantgarde oder eines neuen Schwungrades verabschieden. Das Weimarer Dreieck sollte gleichsam "entzaubert" werden.

Wenn nicht ein Motor, welche Rolle sollte das Weimarer Dreieck dann spielen? Die eines intensiven trilateralen Konsultations- und Klärungsforums mit der Möglichkeit zur Vorabstimmung und europäischen Weichenstellung. Das Weimarer Dreieck wäre einer von diversen Harmonisierungsrahmen in der größeren EU. Es könnte dann aktiviert werden, wenn alle drei Partner sich bewusst darauf einlassen. Weimar wäre damit nicht ein neuer exklusiver Entscheidungsklub (was ohnehin bar jeglicher Realität ist), sondern ein Instrument in Europas Werkzeugkasten. Es wäre hierdurch auch in Vereinbarung zu bringen mit anderen Abstimmungsforen, wie etwa dem Dreieck London-Paris-Berlin. Grundlage eines solchen gegenüber der jetzigen Dreierkooperation deutlich aufgewerteten französisch-polnisch-deutschen Trilaterale wäre die Verstetigung bestehender Austauschformate, wobei drei Leitlinien berücksichtigt werden könnten. Die Inhalte der politischen Diskussion sollten sich auf einige Schwerpunktfelder konzentrieren. Die Debatten über diese Themen sollten indes unter Einbeziehung relativ breiter Kreise geführt werden: Fachministerien, Parlamente, subnationale Ebene, Experten, usw. Und: Zur gesellschaftlichen Flankierung und Sensibilisierung muss das Weimarer Dreieck stärker in das öffentliche und politische Bewusstsein rücken. Weimar muss sichtbarer werden. Hierzu könnte die Schaffung eines Mr. oder einer Mrs. Weimar dienen. Als unabhängige Persönlichkeit des öffentlichen Lebens mit Bezügen zu allen drei Ländern, könnte sie/er die Weimarer Idee propagieren, bei der Formulierung einer Weimarer Agenda Akzente setzen oder konkrete Vorhaben vorschlagen.

Abbildung 8:

Bundeskanzler Gerhard Schröder (2.v.r.), der Präsident der Republik Polen, Aleksander Kwasniewski (Mitte), und der französische Staatspräsident Jacques Chirac (2.v.l.), stellen sich für ein Erinnerungsfoto im Ratskeller von Wroclaw (Breslau) auf.

 

Internet-Quelle [2]

Ein "Weimarer Fonds" (nach dem Muster des Visegrád Fonds) mit einer kleinen Infrastruktur könnte dieser Mrs./diesem Mr. Weimar zur Seite stehen, würde aber auch trilaterale Vorhaben etwa im Bereich Zivilgesellschaft koordinieren und finanzieren. Wie auch immer: Weimar wird seine Zukunftsfähigkeit dadurch beweisen, dass es die Phase des europäischen Romantismus hinter sich lässt und durch einen nüchternen Realismus in der größeren EU Tritt fasst.