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'Document 22'
 
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In einem Erlass vom 21. August 1870 an den preußischen Botschafter in London, Graf Bernstorff, erläutert Bismarck die Gründe für eine Annexion Elsass-Lothringens

"[...] Die öffentliche Meinung in England wird es begreifen, dass wir eine baldige Wiederholung der ungeheuren Opfer, welche dieser Krieg unserem Volke, von den Palästen bis zu den Hütten, kostet, nach Möglichkeit verhüten, und dass wir namentlich Süddeutschland gegen die Gefahr seiner offenen Lage besser sichern müssen als bisher, wo von Straßburg aus bei geschickter und energischer Führung nicht nur Baden, sondern Württemberg und Bayern jederzeit überfallen werden können. Wir stehen heute im Felde gegen den 12. oder 15. Überfall und Eroberungskrieg, den Frankreich seit 200 Jahren gegen Deutschland ausführt. 1814 und 1815 suchte man Bürgschaften gegen Wiederholung dieser Friedensstörungen in der schonenden Behandlung Frankreichs. Die Gefahr liegt aber in der unheilbaren Herrschsucht und Anmaßung, welche dem französischen Volkscharakter eigen ist und sich von jedem Herrscher des Landes zum Angriff auf friedliche Nachbarn missbrauchen lässt. Gegen dieses Übel liegt unser Schutz nicht in dem unfruchtbaren Versuche, die Empfindlichkeit der Franzosen momentan abzuschwächen, sondern in der Gewinnung gut befestigter Grenzen für uns. Wir müssen dem Druck ein Ende machen, den Frankreich seit zwei Jahrhunderten auf das ihm schutzlos preisgegebene Süddeutschland ausübt, und der ein wesentlicher Hebel für die Zerrüttung der deutschen Verhältnisse geworden ist. Frankreich hat sich durch die konsequent fortgesetzte Aneignung deutschen Landes und aller natürlichen Schutzwehren desselben in den Stand gesetzt, zu jeder Zeit mit einer verhältnismäßig kleinen Armee in das Herz von Süddeutschland vorzudringen, ehe eine breite Hilfe da sein kann. Seit Ludwig XIV., unter ihm, unter der Republik, unter dem ersten Kaiserreich haben sich diese Einfälle immer und immer wiederholt; und das Gefühl der Unsicherheit, welches sie zurückgelassen, und die Furcht vor einer Wiederholung dieses Schrecknisses zwingt die süddeutschen Staaten, den Blick stets auf Frankreich gerichtet zu halten. Wir können nicht immer auf eine außerordentliche Erhebung des Volkes rechnen und der Nation nicht ansinnen, stets das Opfer so starker Rüstung zu tragen. Wenn die Entwaffnungstheorie in England ehrliche Anhänger hat, so müssen dieselben wünschen, dass die nächsten Nachbarn Frankreichs gegen diesen alleinigen Friedensstörer Europas mehr als bisher gesichert werden. Dass in den Franzosen dadurch eine Bitterkeit geweckt werde, kann dagegen nicht in Betracht kommen. Diese Bitterkeit wird ganz in demselben Maße stattfinden, wenn sie ohne Landabtretungen aus dem Kriege herauskommen. Wir haben Österreich, wesentlich mit aus jener Rücksicht, keine Gebietsabtretungen angesonnen; haben wir irgendeinen Dank davon gehabt? Schon unser Sieg bei Sadowa hat Bitterkeit in den Franzosen geweckt; wieviel mehr wird es unser Sieg über sie selbst tun! Rache für Metz, für Wörth wird auch ohne Landabtretung länger das Kriegsgeschrei bleiben als Revanche für Sadowa oder Waterloo! Die einzig richtige Politik ist unter solchen Umständen, einen Feind, den man nicht zum aufrichtigen Freunde gewinnen kann, wenigstens etwas unschädlicher zu machen und uns mehr gegen ihn zu sichern, wozu nicht die Schleifung seiner uns bedrohenden Festungen, sondern nur die Abtretung derselben genügt."

(Otto von Bismarck, Gesammelte Werke, Bd. 6b, Berlin 1931, S. 454-455)

Am 13. September 1870 erläuterte Bismarck in einem Runderlass an alle preußischen Auslandsvertretungen erneut, warum Frankreich Elsaß-Lothringen abtreten müsse

"[...] Wir dürfen uns nicht darüber täuschen, dass wir nun infolge dieses Krieges auf einen baldigen neuen Angriff von Frankreich und nicht auf einen dauerhaften Frieden gefasst machen müssen, und das ganz unabhängig von den Bedingungen, welche wir etwa an Frankreich stellen möchten. Es ist die Niederlage an sich, es ist unsere siegreiche Abwehr ihres frevelhaften Angriffs, welche die französische Nation uns nie verzeihen wird. Wenn wir jetzt ohne alle Gebietsabtretungen, ohne jede Kontribution, ohne irgend welche Vorteile als den Ruhm unserer Waffen aus Frankreich abzögen, so würde doch derselbe Hass, dieselbe Rachsucht wegen der verletzten Eitelkeit und Herrschsucht in der französischen Nation zurückbleiben, und sie würde nur auf den Tag warten, wo sie hoffen dürfte, diese Gefühle mit Erfolg zur Tat zu machen.
[...]
Wir können deshalb unsere Forderungen für den Frieden lediglich darauf richten, für Frankreich den nächsten Angriff auf die deutsche und namentlich die bisher schutzlose süddeutsche Grenze dadurch zu erschweren, dass wir diese Grenze und damit den Ausgangspunkt französischer Angriffe weiter zurücklegen und die Festungen, mit denen Frankreich uns bedroht, als defensive Bollwerke in die Gewalt Deutschlands zu bringen suchen."

(Otto von Bismarck, Gesammelte Werke, Bd. 6b, Berlin 1931, S. 493-494)

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