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Die Zeitung der württembergischen Demokraten, „Der Beobachter“, veröffentlichte am 12. Juli 1870 folgenden Leitartikel

„Abgesehen von jenem allgemeinen Mitgefühl, welches wir als gut kosmopolitische Deutsche für aller Völker Schicksale empfinden, abgesehen von jenen frommen Wünschen, mit welchen wir jede freiheitliche Entwicklung in der Welt herzhaft zu begleiten gewöhnt sind, was kann uns süddeutschen Kleinstaaten und Binnenmenschen gleichgültiger sein, als wer in Spanien König wird. Er heiße Infant von Asturien oder Herzog von Montpensier oder Prinz von Hohenzollen-Sigmaringen. Was kann das uns im Bösen wie im Guten viel ausmachen? [...] Und doch! [...] Wenn der Kaiser von Frankreich und der König von Preußen über dieser spanischen Verwicklung in Streit geraten sollten, ist es ganz selbstverständlich, dass wir armen Schwaben unsere schönen Fluren zu Kriegstheatern, unsere guten Gulden zu Kriegskosten und unsere lieben Söhne zu Futter für Pulver hergeben, obgleich uns der ganze Streit von Haut und Haar nichts angeht.

Denn da unser König Carl 1866 einen Schutz- und Trutzvertrag mit dem von Preußen geschlossen hat, was ist natürlicher, als dass Preußen zu Württemberg sagt: „Meine Kriege sind von nun an deine Kriege, wie auch die deinigen die meinigen sein würden, wenn auch dir einmal Krieg zu beginnen einfallen wird.“ Wenn dem Haupt der Familie Hohenzollern die Lust kommt, irgendeinem seiner Vettern irgend eine beliebige Krone zu verschaffen – und es kommt ihm bekanntlich bisweilen diese Lust – und wenn er darüber in Krieg verwickelt wird mit irgend einer Großmacht, so ist eine Bedrohung nicht möglich, ohne dass Württemberg quasi mitbedroht und mit zum Krieg verpflichtet ist. Würde es sich bloß um solche Kriegsfälle handeln, in welchen mit Preußen zugleich Deutschland auf dem Spiel stände, Fälle, in welchen ohnedies kein deutscher Staat den andern im Stich lassen kann, so hätte es besonderer Schutz- und Trutzbündnisse nicht bedurft, da eine nationale Pflicht eine Pflicht bleibt auch wenn sie nicht geschrieben und gehandelt, auch wenn nicht Brief und Siegel darüber gegeben ist. Der Abschluss besonderer Allianzverträge beweist vielmehr eben, dass die Kontrahenten hinausgehen wollten über die gemeine und angeborene nationale Pflicht; und der Sinn jener Verträge, was kann er anders sein, als dass unter allen Umständen die Süddeutschen mitziehen müssen, so oft Preußen in Krieg gerät? [...]

Mag, wenn der drohende Sturm noch einmal glücklich vorübergeht, jeder verständige Bürger einsehen, in welcher fortdauernden Gefahr wir dahinleben, so lange diese Verpflichtung auf uns liegt. [...]

Statt uns der Neutralität, welche für einen kleinen und bloß auf Defensive eingerichteten Staat die einzig angemessene Politik ist [...] müssen wir Schwaben beim fernsten Anzeichen eines dynastischen Zwiespalts im fernsten Lande sofort für Frieden und des Landes Sicherheit zittern. Wem wird die diesmalige Erfahrung nicht endlich die Augen öffnen über den Abgrund, an den unsre Regierung uns hinführt? Welcher Patriot wird nicht endlich begreifen, dass es die höchste Zeit für uns ist, aus den Verträgen herauszukommen?“

(Der Beobachter, 12. Juli 1870)

Nach der französischen Kriegserklärung veröffentlichte „Der Beobachter“ eine Erklärung des Volksvereins aus Rottweil

„Die deutsche Demokratie, sowie gewiss der größte Teil des deutschen Volkes will keinen Krieg, trägt keinen nationalen Hass gegen Frankreich, so wenig als gegen andere Nationen, wenn uns aber der Krieg aufgezwungen wird, glauben wir doch nicht – so sehr wir den Krieg und zumal einen aus dynastischen Ursachen entsprungenen verabscheuen, und obgleich wir uns fragen lassen müssen, dass das gegen Preußen heranziehende Kriegsungewitter nur verschuldete Folge ist desjenigen Zustandes, der im Jahre 1866, wahrlich nicht zu Heile des deutschen Volkes geschaffen wurde – dass wir müßige Zuschauer des kommenden Kampfes bleiben dürfen; schon in unserem eigenen Interesse nicht, da wir in zentraler Stellung (an einen Vertrag mit Frankreich wird kein Deutscher denken) die Folgen einer preußischen Niederlage mitzutragen hätten und was Frankreich Preußen nimmt, auch Deutschland genommen wird. Durch einen Sieg Frankreichs würde überdies lange Zeit größeres ökonomisches und nationales Unglück über uns Deutsche Alle hereinbrechen, als wir je von einem siegreichen Preußen zu befürchten hätten. Der jetzt drohende Krieg ist nur ein Kampf der französischen Dynastie gegen die preußische. Wie die Sachen aber gegenwärtig leider stehen, ist das Volk an die Dynastien gebunden und somit dieser Krieg bei der jetzigen Situation faktisch ein Krieg der französischen Nation gegen die deutsche Nation. Wenn jetzt in Frankreich trotz der Kriegserklärung noch nicht aller Parteihader verstummt ist, und täglich Stimmen für Erhaltung des Friedens sich kund tun, so dürfen wir hieraus einen Verweis für die gesunde Ansicht internationaler Gesinnung erblicken, mit welcher auch wir vollkommen einverstanden sind. Nachdem aber Frankreich Deutschland den Krieg erklärt hat, müssen wir bei uns als angegriffene Partei allen innern Streit bei Seite lassen, und können somit unser preußisches Brudervolk, trotz aller Vorgänge, dem Ausland gegenüber nicht im Stiche lassen. Wir sehen es nach allem diesem als unsere Aufgabe an, unsere Regierung anzugehen, dass sie entschieden Stellung nehme und mit aller Macht mit einstehe gegen den gemeinsamen Feind Deutschlands.“

(Der Beobachter, 21. Juli 1870)

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