- Politische Struktur, Zentralismus, Dezentralisierung
- Grenzüberschreitende Probleme und Kooperation
- Rhône-Alpes - Geographische und wirtschaftliche Strukturen einer Region mit internationaler Ausrichtung
- Einleitender Vergleich: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
- Baden-Württemberg: Geschichte
- Baden-Württemberg: Wirtschaft, demographischer und sozialer Wandel
- Baden-Württemberg: Regionale Identität
- Baden-Württemberg: Außenbeziehungen
- Rhône-Alpes: Geschichte
- Rhône-Alpes: Politische Strukturen
- Rhône-Alpes: Wirtschaft, demographischer und sozialer Wandel
- Rhône-Alpes: Regionale Identität
- Rhône-Alpes: Außenbeziehungen
- Rhône-Alpes: Die Fortschreibung der Dezentralisation
- Literaturangaben
- Regionen, Staaten und die Europäische Gemeinschaft im Angesicht der industriellen Krise: eine vergleichende Betrachtung des Stahlsektors in Frankreich und Deutschland
- Le bassin de la Ruhr et le Nord-Pas-de-Calais - eine Unterrichtssequenz
- Paris & Berlin - Hauptstadtporträts
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Politische Strukturen
Ebenso wie die übrigen Bundesländer besitzt Baden-Württemberg eine Verfassung. In der 1953 verabschiedeten Grundordnung, die keinen eigenen Grundrechtsteil enthält, sondern auf das Grundgesetz verweist, sind unter anderem die Vorschriften über die wichtigsten Organe des Landes, ihre Bestellung und ihre Befugnisse sowie Aufgaben niedergelegt. Die Verfassung [1] bildet somit den Rahmen für das politische, soziale und rechtliche System Baden-Württembergs.
Der Baden-Württembergische Landtag [2] hat mit seinen 120 Abgeordneten seinen Sitz in Stuttgart. Seine Funktionen konzentrieren sich hauptsächlich auf fünf Bereiche:
- Die Artikulations- und Repräsentationsfunktion zum Ausdruck der Meinungs- und Interessenvielfalt,
- Die Wahlfunktion, vor allem die Bestellung des Ministerpräsidenten,
- Die Kontrolle von Regierung und Verwaltung, z.B. durch Anfragen an die Regierung und gegebenenfalls durch die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen,
- Die Gesetzgebungsfunktion, die sich hauptsächlich, neben dem Etatrecht - auf die Bereiche Kommunalwesen, Polizei und Öffentliche Sicherheit, Rundfunk und Fernsehen sowie das gesamte Bildungswesen einschließlich Kindergarten und außerschulische Bildung konzentriert,
- Die Debattenfunktion, in der Regierung bzw. Regierungsmehrheit und Opposition in Rede und Gegenrede politische Themen diskutieren.
Eine Besonderheit bietet seit der Verfassungsänderung von 1974 das Volksbegehren. Dieses erlaubt dem Volk, Gesetzentwürfe in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs einzubringen. Sofern 1/6 der Wähler den Entwurf unterstützt, muss er vom Landtag diskutiert werden. Falls dieser den "Volksgesetzentwurf" ablehnt, kommt es zur Volksabstimmung. Sofern die Mehrheit der Abstimmenden - mindestens 1/3 der Stimmberechtigten - zustimmt, ist der Text definitiv angenommen. Die Landesregierung ist das Zentrum politischer Gestaltung und Leitung. Ihre Mitglieder bedürfen zur Amtsübernahme der Bestätigung des Landtags. Dieser hat vorher den Ministerpräsidenten mit der Mehrheit seiner Mitglieder in geheimer Abstimmung gewählt. Seine herausragende Stellung innerhalb der Landesregierung nimmt der Ministerpräsident [3] aufgrund seiner "Volkswahl" als Führer der siegreichen Partei bzw. Koalition, seiner geheimen Wahl durch den Landtag, seiner durch die Verfassung verbrieften Richtlinienkompetenz, der Auswahlmöglichkeit der Minister seiner Partei, des Kompetenzzuschnitts der Ministerien und der Leitung der Landesregierung ein. Durch das ihm zugeordnete Staatsministerium verfügt er über ein Machtzentrum, das alle Ministerien sowohl koordiniert als auch zu kontrollieren weiß.
Das "Königsrecht" des Landtags ist das Etatrecht bzw. die Verabschiedung des Staatshaushaltsplans. Dieser umfasste im Jahre 2001 rund 32,3 Mrd. DM bzw. 16 Mrd. Euro. Rund 40% des Gesamtetats werden für Personalkosten ausgegeben. Weitere 50% sind durch gesetzliche Verpflichtungen festgelegt; hinzu kommen rund 5%, die das Land jährlich für seine Zinsen (sprich: für seinen Schuldenberg) auszugeben hat. Als frei verfügbare Finanzmasse für neue Investitionen oder politisch sinnvolle Maßnahmen verbleiben dem Haushaltsgesetzgeber nur ein sehr bescheidener Anteil. Hinzu kommt, dass das reiche Baden-Württemberg 2002 im Rahmen des Länder-Finanzausgleichs zugunsten der ärmeren Bundesländer 1,812 Mrd. Euro in den gemeinsamen Länder-Finanzausgleich-Topf einzahlen musste
Das Wahlsystem [4] zur Bestellung der 120 Abgeordneten ist eine Verbindung von Verhältniswahl und Persönlichkeitswahl. 70 Abgeordnete werden in Einer-Wahlkreisen direkt gewählt, die übrigen werden entsprechend dem proportionalen Ergebnis ihrer Parteien aus dem Kreis der Wahlkreisbewerber genommen, die zwar nicht die erste Position (also das Direktmandat) errungen, die aber im Verhältnis zu dem übrigen Bewerbern ihrer Partei die meisten Stimmen erhalten haben. Es gibt also keine Landeslisten. Wohl aber gibt es Listen auf der Ebene der vier Regierungsbezirke, und die übrigen 50 Abgeordneten entstammen diesen Kandidatenlisten der Parteien.
Bei den Landtagswahlen 2001 [5] gewann die CDU 44,8 % der Stimmen und erhielt 63 Mandate, die SPD kam auf 33,3 % und 45 Sitze; FDP/DVP und Grüne erhielten 8,1 % bzw. 7,7 % und jeweils 10 Landtagssitze. Die Wahlbeteiligung lag mit nur 62,6 % deutlich unter früheren Stimmabgaben. Ministerpräsident Erwin Teufel, im Amt seit 1991, bildete erneut eine Koalition aus CDU und FDP/DVP. Diese Koalitionen haben Tradition in Baden-Württemberg. In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts gab es aber auch - ebenfalls wie zwischen 1968 und 1976 - Große Koalitionen aus CDU und SPD. Eine absolute Sitzmehrheit erzielte die Union bei den Wahlen zwischen 1972 und 1992. Auf Grund ihrer Wahlerfolge stellt die CDU seit 1953 den Regierungschef. Nur unmittelbar nach Gründung des Südwest-Staates gab es unter dem Liberalen Reinhold Maier eine Regierung ohne CDU-Beteiligung.
Dominierende politische Kraft im Land mit heute 81.532 Mitgliedern ist die CDU. Als alleinige Regierungsfraktion von 1972-1992 oder in wechselnden Koalitionen (mal mit der SPD und/oder den Liberalen) regiert sie seit fast 50 Jahren Baden-Württemberg. Der Union ist es gelungen, aus den anfänglich vier selbständigen Landesverbänden "eine baden-württembergische Landespartei" (Herbert Schneider), eine überkonfessionelle Volkspartei zu schmieden, die 2001 in allen vier Regierungsbezirken jeweils stärkste Partei wurde.
Trotz eines hohen Industrialisierungsgrades mit günstiger Sozialstruktur (hoher Arbeiter- und Protestantenanteil) kam die SPD bislang nie über 33% bei Landtagswahlen hinaus. Ihre Mitgliederzahl beträgt 50.500. Vergleichsweise stark ist die FDP im Südwesten - ihre Wähler- und Mitgliederhochburgen (6.753) liegen hauptsächlich im stark industrialisierten Württemberg. Auch Die Grünen (7.200 Mitglieder) konnten sich seit 1980 als "wertkonservative" Öko-Partei in allen Landesteilen, besonders in den Universitätsstädten, behaupten. Insgesamt ist die baden-württembergische Parteienlandschaft im Gegensatz zur französischen Schwesterregion durch eine hohe Stabilität im Parteiensystem gekennzeichnet. Nur Ende der sechziger und in den neunziger Jahren zogen auch Abgeordnete rechtsradikaler Parteien in den Landtag.
Wie in den übrigen Bundesländern gibt es auch in Baden-Württemberg eine mehrgliedrige Gerichtsbarkeit: Amtsgerichte, Landgerichte und zwei Oberlandesgerichte für die Ordentliche Gerichtsbarkeit. Daneben gibt es Sondergerichte für Arbeits- und Sozialfragen sowie für Verwaltungsangelegenheiten. Für die Auslegung der Landesverfassung ist der Staatsgerichtshof mit seinen neun Richtern zuständig.
Baden-Württemberg ist in vier Regierungsbezirke, denen eine Koordinierungs- und Aufsichtsfunktion zwischen Landesregierung und den (kreisfreien) Großstädten zukommt, 35 Landkreise mit einem vom jeweiligen Kreistag gewählten Landrat an der Spitze und 1.111 Gemeinden untergliedert. Das Gros dieser Gemeinden unterliegt der Aufsicht durch die Landkreise, deren Kreistage von der Bevölkerung gewählt werden.
Herausragende Kraft in jeder Gemeinde ist der Bürgermeister. Auf 8 Jahre von der Bevölkerung direkt gewählt, verfügt er als "Miniatur-Monarch" über eine starke Stellung. So ist er der Vorsitzende des Gemeinderates (dieser wird auf 5 Jahre bestellt), Chef der Verwaltung und Repräsentant seiner Gemeinde nach außen. Die Stellung der Bürger wird durch die Möglichkeit, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide vornehmen zu können, erheblich gestärkt. Auf diese Weise kann sich die Bürgerschaft direkt in die Kommunalpolitik einmischen, sofern die Antragsteller die jeweils erforderlichen Quoren der Stimmberechtigten erreichen.
Über den Bundesrat mit Sitz in Berlin wirkt Baden-Württemberg an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit. Mit 6 Stimmen, die nur einheitlich abgegeben werden können, zählt es zu den Großen in der "zweiten" Bundeskammer. Laut Grundgesetz hat der Bundesrat bei allen Gesetzen, die die Länder betreffen (so genannte zustimmungspflichtige Gesetze) ein Vetorecht; in allen anderen Fällen ein Einspruchsrecht (aufschiebendes Vetorecht), das gegebenenfalls vom Bundestag überstimmt werden kann. Einigen sich Bundestag und Bundesrat bei den zustimmungspflichtigen Gesetzen nicht auf einen Kompromiss, so kann ein Vermittlungsverfahren u. a. auch vom Bundesrat beantragt werden. Kommt auch hier eine Einigung nicht zustande, dann ist das Gesetz gescheitert.
Links:
- [1]http://www.lpb.bwue.de/bwverf/bwverf.htm
- [2]http://www.baden-wuerttemberg.de/de/Landtag_von_Baden-Wuerttemberg/85740.html
- [3]http://www.baden-wuerttemberg.de/de/Ministerpraesident/95777.html
- [4]http://www.baden-wuerttemberg.de/de/Wahlen_und_Buergerbeteiligung/85681.html
- [5]http://www.baden-wuerttemberg.de/de/Landtag_von_Baden-Wuerttemberg/85740.html