- Politische Struktur, Zentralismus, Dezentralisierung
- Einleitende Vorbemerkung
- Wechselvolle Zugehörigkeiten
- Wirtschaftliche Konflikte
- Vom Zweiten Weltkrieg bis zum Referendum 1955
- Die Lösung der Saarfrage
- Zwei Fallbeispiele: Saarlouis und Marpingen
- Die Saarfrage als "Kampf der Kulturen"
- Der saarländische Sonderweg 1945 - 1955
- Föderalismus und regionale Selbstbestimmung
- Literatur und Internetlinks
- Grenzraum Saar-Lor-Lux - eine Modellregion für Europa?
- Wirtschaftsbeziehungen im saarländisch-lothringischen Grenzraum
- Grenzregionen zwischen Frankreich und Deutschland: Das Beispiel des Elsass und der Oberrheinregion
- Deutsche Zuzügler im südlichen Elsass - Probleme der Europäisierung des Immobilenmarktes
- Kapitalverflechtungen im europäischen Integrationsprozess, dargestellt am Beispiel der elsässischen Oberrheinregion
- Energie und Umwelt in Frankreich und Deutschland
- Regionale Beispiele
- Paris & Berlin - Hauptstadtporträts
'Die Saar zwischen Deutschland und Frankreich'
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Die Saar zwischen Deutschland und Frankreich
Abbildung 2:
Der Brand des Saarbrücker Schlosses im Dezember 1793
Gemälde von Johann Friedrich Dryander, vgl. Peter Burg, Saarbrücken im Aufstieg zum Zentrum einer preußischen Industrieregion (1815-60), in: Rolf Wittenbrock unter Mitarbeit v. Marcus Hahn (Hg.), Geschichte der Stadt Saarbrücken, 2 Bde. Saarbrücken 1999, Bd. 1, S. 519-616.
Die Besetzung der Saargegend durch revolutionäre Truppen Frankreichs im Herbst 1792 beendete faktisch die politische Eigenständigkeit [1] der Saarbrücker Grafschaft [2] . Bei der Verarbeitung der umwälzenden Ereignisse zwischen der französischen Revolution und den Befreiungskriegen [3] fand die Saarfrage ihre für die nächsten anderthalb Jahrhunderte bestimmende Form. Wie ein Fanal für die künftigen Auseinandersetzungen erscheint dabei der Brand des Saarbrücker Schlosses: Im Dezember 1793 geriet der größere Teil des Residenzschlosses - wie wir heute wissen wohl aufgrund von Unachtsamkeit - in Brand und wurde weitgehend zerstört. Dieses Ereignis läutete nicht nur das Ende des Ancien Régime an der Saar ein; in der wechselseitigen Propaganda wurde dieses Unglück sehr schnell eines der wichtigsten Symbole für einen deutsch-französischen Kampf um die Saar. Andererseits sandten einige Ortschaften an der Saar so genannte Reunionsadressen [4] nach Paris, in denen sie den Anschluss an die französische Republik forderten, um an den fortschrittlichen Ideen der Revolution partizipieren zu können.
Die harten Maßnahmen der französischen Militärverwaltung und die hohen Lasten durch Einquartierungen riefen aber auch Klagen und Proteste bei Teilen der Saar-Bevölkerung hervor.
Völkerrechtlich blieb der Status der Saar über das Scheitern des Rastatter Kongresses (1791-1799) hinaus ungeklärt. Erst im Frieden von Lunéville (1801) [5] wurde die Abtrennung der linksrheinischen Gebiete sanktioniert. Die Saargegend erhielt in der Folge eine neue Verwaltungsgliederung, die einen großen Teil des heutigen Saarlandes in dem neu geschaffenen Saardepartement zusammenfasste. Jedoch wurde die administrative Zersplitterung nicht aufgehoben, da z.B. die westlichen Teile des heutigen Saarlandes, die bereits vor 1789 zu Frankreich gehört hatten, Teil des Moseldepartements [6] mit der Hauptstadt Metz wurden.
Kaum mehr als zehn Jahre später wurden die politischen und administrativen Verhältnisse [8] an der Saar erneut verändert. Im Ersten Pariser Frieden (1814) galt allgemein das Prinzip, dass die Grenzverläufe des Jahres 1792 wieder herzustellen seien. Davon wich man zwar an der Saar insofern ab, als einige Kantone - darunter auch die Stadt Saarbrücken - bei Frankreich verblieben; nach der erneuten Niederlage Napoleons jedoch gelangten im Zweiten Pariser Frieden (1815) auch diese Teile - nicht zuletzt aufgrund der von den deutsch-patriotischen Teilen der Saarbrücker Bürgerschaft vorgetragenen Wünsche - unter preußische Verwaltung. Der preußische Staatskanzler Karl August von Hardenberg nahm am 2. November 1815 das Saardepartement offiziell in Besitz.
Kurzlebige Versuche internationaler Konfliktbewältigung führten somit in dieser Phase zu einer schnellen Folge von Wechseln in der nationalen Zugehörigkeit der Saar. Dies strukturierte die kollektive Erinnerung der Menschen in diesem Gebiet auf Jahre hinaus. Prägende Wirkung ist dabei zunächst der Erinnerung an die unmittelbare Existenzbedrohung [10] zuzusprechen, die das nationale Bekenntnis unter den wechselnden politischen Verhältnissen auslösen konnte. Interessant sind aber auch die Auswirkungen auf das Bild von der eigenen Geschichte: Seit der Niederlage Frankreichs fanden Formeln wie diejenige von den historisch bedingten "verwandtschaftlichen Beziehungen" mit Deutschland verstärkt Verwendung, ja sogar die Formel vom "Erbfeind Frankreich" erschien nun im Kontext regionaler Debatten. Andererseits blieb auch das Verhältnis zur preußischen Staatsmacht vielfach gebrochen. Vereinzelt kam es gar zu Widerstand: Bei einer Massenschlägerei zwischen Zivilisten und preußischem Militär in einer Saarbrücker Gaststätte am 12. Mai 1833 waren aus der aufgebrachten Menge auch Rufe wie "Vive la République" zu hören - was umgehend entsprechende Gegenreaktionen [11] im deutsch-patriotischen Teil der Bürgerschaft [12] hervorrief. Der Freiheitsgedanke der französischen Revolution, die wirtschaftlichen und juristischen Verbesserungen gegenüber dem Ancien Régime, aber auch antipreußische Ressentiments wirkten an der Saar bis in die Revolution von 1848 [13] und bis in das regionale Liedgut dieser Zeit nach.
Links:
- [1]http://www.hoeckmann.de/deutschland/saar.htm
- [2]http://www.nassau-info.de/geschichte-sb.htm
- [3]http://de.wikipedia.org/wiki/Befreiungskriege
- [4]Reunionsadressen
- [5]Friedensvertrag von Lunéville
- [6]Arrondissement Saarbrücken
- [7]http://www.hoeckmann.de/deutschland/saar.htm
- [8]Mairie Saarbrücken und benachbarte Mairien
- [9]http://www.christophereimer.co.uk/single/7865.html
- [10]Todesurteile
- [11]Gegenreaktionen
- [12]Adresse
- [13]Revolution von 1848