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Heiratspolitik
Die Ehe zwischen Karl IX. und Elisabeth von Österreich (durch die Hochzeit sollten die Grundlagen für eine Herrschaft über Europa und die Welt gelegt werden. Nicht, dass Karl IX. dies alles selbst zu erreichen glaubte, die Hauptaufgabe wird auf den Thronfolger abgewälzt, dessen Zeugung und Geburt die zunächst zu erwartende Folge der Vermählung sein musste) führte nicht zur erhofften Herrschaft über Österreich. Nicht zuletzt der konfessionelle Bürgerkrieg in Frankreich machte alle außenpolitischen Ambitionen zunichte. Doch unverdrossen heirateten Ludwig XIII. und Ludwig XIV. je eine spanische Habsburgerin. Ludwig XIV. gelang es immerhin, durch diese Heirat die Bourbonen in Spanien an die Macht zu bringen und damit Frankreich zumindest symbolisch aus der "habsburgischen Umklammerung" zu lösen, aber er wurde kein universaleuropäischer Monarch, wie man es ihm allenthalben in England, in den Niederlanden und im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation vorwarf.
Mit dem berühmten Renversement des Alliances 1756 kam es zur neuerlichen Annäherung an die österreichische Linie der Habsburger. Diese galt nun in der Tat auch eher der Habsburgermonarchie als dem Reich. Eine Frucht dieser Annäherung war die Heirat zwischen dem künftigen Ludwig XVI. und Marie Antoinette 1770. Die Reise Marie Antoinettes nach Frankreich wurde wie ein Festzug inszeniert, es war eine gerade in Frankreich triumphale Reise. Marie Antoinette galt als überaus schön, es war nicht schwer, die Herzen der Untertanen zu gewinnen. Natürlich erwartete alle Welt aus dieser Ehe sehr bald Kinder, vor allem einen Thronfolger. Aber die Geschichte verlief völlig anders. Aufgrund eines eher geringfügigen Gebrechens Ludwigs blieb das Paar die ersten Jahre der Ehe kinderlos, lang genug, um den politischen Pornographen der Epoche zu erlauben, Perversitäten vor allem über die Königin zu verbreiten. Wenn Marie Antoinette „l’Autrichienne“ genannt wurde, schwang darin eine doppelte Beleidigung mit. Politisch wurde ihr die verhalten aktive Rolle, die sie im Interesse der Habsburgermonarchie spielte, übel genommen, politisch-pornographisch wurde sie zur Pornokönigin gemacht. Lange bevor Ludwig und Marie Antoinette in der Revolution hingerichtet wurden, wurden ihre königlichen, und das heißt immer noch: politisch-mystischen Körper durch die politischen Pornographen mit der Feder hingerichtet. Mehr als die eigentliche Hinrichtung besiegelte dies das Ende des frühneuzeitlichen propagandistischen Projekts einer Vereinigung von Reichen als mögliche und erwünschte Folge dynastischer Eheschließungen.
Text: Schmale, Wolfgang: Frankreich, Österreich und das Reich: Propagandageschichte einer virtuellen europäischen Vereinigung und Enteinung. Unveröffentlichtes Vortragsmanuskript Oktober 2002