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'Stadtverfall, Stadterneuerung und "Gentrification" - eine Begriffserklärung'
 
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Stadtverfall, Stadterneuerung und "Gentrification" - eine Begriffserklärung

Damit sind bereits einige zentrale Erscheinungen der Stadtentwicklung angesprochen, die in allen Großstädten der Erde zu beobachten sind und die einer kurzen Erklärung bedürfen.

Stadtverfall und Stadterneuerung sind grundsätzliche Fragen des Recyclings städtischer Bausubstanz. Stadtverfall entsteht, wenn die Balance zwischen Stadterweiterung und Stadterneuerung verlorengegangen ist. Fließen die meisten Investitionsmittel in den Neubau am Stadtrand (= Stadterweiterung), bleibt für die Sanierung oder Erhaltung des Altbaubestandes im Zentrum zu wenig Finanzkraft. Verfallserscheinungen (Fassadenschäden, unzureichender Wohnkomfort, Degradierungen, leerstehende Wohnungen und Geschäfte durch Abwanderung von Wohnbevölkerung etc.) machen sich bemerkbar.

Die Ursachen für dieses Ungleichgewicht können politisch-ideologischer und/oder wirtschaftlicher Natur sein. In den Großstädten Nordamerikas als Repräsentanten eines privatkapitalistischen Systems erfolgen Investitionen nicht durch den Staat, sondern durch private, gewinnorientierte Unternehmen. Zudem bildet der Erwerb, die Veräußerung und Vermietung von Immobilien ein wichtiges Standbein der US-amerikanischen Altersvorsorge. Da eine staatliche Organisation der Pensionsvorsorge fehlt, wird in Immobilienbesitz bzw. in Immobilienfonds investiert. Die Gewinnausschüttung bzw. der Profit spielen dabei eine zentrale Rolle. Für die Stadterneuerung bedeutet dies nichts anderes, als dass Renovierungsarbeiten nur dort vorgenommen werden, wo Rendite zu erwarten ist. Abgewohnte Objekte in Zuwanderervierteln oder Wohnbezirken ethnischer Minderheiten gelten allgemein als wenig attraktiv und werden daher von Investoren für Stadterneuerungsmaßnahmen nicht in Betracht gezogen. Slumgebiete erreichen daher flächenmäßige Ausdehnungen, die für Europäer nur schwer vorstellbar sind.

Abbildung 2:

Verfallende Wohngebiete in Philadelphia

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Bourne, in Lichtenberger 1994

In den ehemaligen Staaten der Zentralverwaltungswirtschaft Osteuropas ist Stadtverfall ebenfalls ein prägendes Merkmal der Innenstädte. Einer der wichtigsten Auslöser für den Stadtverfall als Folge der mangelnden Reinvestitionen war zunächst die Verstaatlichung von Grund und Boden. Damit wurde das Erzielen von Gewinn durch Verkauf oder Vermietung von Grundstücken oder Wohnungen zum Großteil verhindert und dem Staats- bzw. Munizipalhaushalt eine wichtige Einnahmequelle entzogen. Vorhandene Finanzmittel flossen fast ausschließlich in die Stadterweiterung. Großwohnanlagen am Stadtrand hatten eindeutig Vorrang vor Erneuerungsmaßnahmen. Hinzu kamen die hohen Kosten für die Schaffung von technischer Infrastruktur in den neuen, peripheren Siedlungseinheiten, denn diese wurden z.B. durch U-Bahnen mit dem Stadtzentrum verbunden. Gleichzeitig verfielen aufgrund ausbleibender Erneuerungstätigkeit die Innenstädte und konnten zum Teil bis heute nicht saniert werden.

Abbildung 3:

Verfallserscheinungen in der Budapester Innenstadt

 

 

 

Photo: M. Paal 2001

Wohlfahrtstaatliche Systeme Europas limitieren in der Regel durch restriktive Vorschriften zur Flächennutzung und durch strenge Bestimmungen des Denkmalschutzes den Verfall der historischen Bausubstanz. Subventionen des Staates und der Wohnungsmarkt der öffentlichen Hand (Sozialwohnungen) dämpfen die Folgen des Stadtverfalls, ohne ihn allerdings zur Gänze auszuschließen. 

Mit den Maßnahmen der Stadterneuerung - gleichgültig, in welchem politischen System sie stattfindet - ist das Phänomen der "Gentrification [1] " eng verbunden. Unter "Gentrification" versteht man die Auswechslung (= Verdrängung) von Bevölkerungsschichten in bestimmten Stadtvierteln im Rahmen von Stadterneuerungsmaßnahmen. Die Verbesserung von Wohnungen (Anhebung des Komforts durch Einbau von Sanitäranlagen oder Zentralheizung, Zusammenlegung mehrerer Kleinwohnungen, Verbesserung des Wohnumfeldes etc.) hat in der Regel deren Verteuerung zur Folge. Die ursprünglichen Mieter werden während der Sanierungsarbeiten in Ersatzwohnungen umgesiedelt, sind anschließend nicht mehr in der Lage, die erhöhten Wohnungsmieten im früheren Wohnbezirk aufzubringen und werden so gezwungen, in den billigeren Quartieren (Stadtrand oder abgewohnte Bereiche der Kernstadt) zu verbleiben.